Das Motorrad-Blog (nicht nur) für Alte Knacker

Gewinde und Schrauben am Motorrad II

Wunderwelt der Flankenwinkel und Steigungen

Gewinde ist nicht Gewinde, der Nenndurchmesser sagt zwar eine Menge, aber lange noch nicht alles über ein Gewinde aus. Und natürlich sind hier Schrauben am Motorrad nicht ausgenommen. Manchmal gestaltet sich die Suche nach passendem Ersatz für eine verloren gegangene Schraube oder Mutter nicht ganz einfach. Ein wenig Wissen über Gewinde, Gewindenormung und genormte Schrauben ist hier hilfreich.

Dies ist der zweite Teil eines zweiteiligen Beitrags, zum ersten Teil geht es hier.

Aus dem ersten Teil dieser Geschichte wissen wir, wie ein Gewinde funktioniert und was es für Arten von Gewinden gibt. Wie bereits erwähnt, haben wir es bei den Schrauben am Motorrad praktisch ausschließlich mit Befestigungsgewinden zu tun. Und das sind in aller Regel Spitzgewinde. Trapezgewinde und Rundgewinde können wir also in diesem Zusammenhang außer Acht lassen.

Motor Yamaha XV 1100 Virago
Schrauben gibt’s genug am Mobbedd… (Foto: Autor)

Uns geht es ja hier um die Schrauberei am Motorrad. Das hier Gesagte gilt aber auch beim Autoschrauben. Auch die (Beschaffungs-)Probleme sind die gleichen. Hier wie dort hat man es unter Umständen außer mit europäischen und japanischen Fahrzeugen auch mit englischen und amerikanischen zu tun.

Die aufgewickelte schiefe Ebene und die Selbsthemmung

Nach dem Nenndurchmesser ist der zweite entscheidende Wert bei einem Gewinde die Steigung. Wie wir im ersten Teil erfahren haben, ist das der Weg, um den die Schraube bei einer Umdrehung hineingedreht wird. Auf den ersten Blick ist es auch der Abstand zwischen zwei Gewindespitzen bzw. zwei Gewindegründen. Aber aufgepasst: Das gilt nur bei eingängigen Gewinden, es gibt auch mehrgängige, die wir aber bei Schrauben am Motorrad kaum finden werden.

Dass ein Gewinde eine ganz bestimmte Steigung bekommt, hängt mit dem mechanischen Phänomen der Selbsthemmung zusammen. Ein Gewinde ist ja im Grunde nichts anderes, als eine aufgewickelte schiefe Ebene. Das bedeutet nun, dass die Gesetzmäßigkeiten einer schiefen Ebene auch am Gewinde gelten.

Schrauben am Motorrad Stillleben
… Grund genug, sich einmal etwas näher damit zu befassen. (Foto: Autor)

In der Abbildung sind zwei schiefe Ebenen zu sehen. Die Gewichtskraft G des Körpers auf der schiefen Ebene erzeugt nun die zwei verschiedenen Kräfte, die für die schiefe Ebene typisch sind: Da ist zunächst die Normalkraft FN, die senkrecht auf die Fläche der schiefen Ebene wirkt und den Körper auf diese drückt. Außerdem gibt es die Hangabtriebskraft FH, die den Körper die schiefe Ebene hinunterrutschen lässt.

Wenn wir uns die beiden schiefen Ebenen in der Abbildung ansehen, wird klar, dass die Hangabtriebskraft zunehmend, wenn der Winkel α größer wird. Gleichzeitig nimmt die Normalkraft ab. Für die, die es genau wissen wollen: Die Normalkraft erhält man wenn man die Gewichtskraft mit dem Kosinus des Winkels α multipliziert. Die Hangabtriebskraft resultiert aus dem Sinus dieses Winkels und der Gewichtskraft. Muss man aber nicht wissen, es reicht wenn man die Zusammenhänge anhand des Kräfteparallelogramms nachvollziehen kann.

Steilere und flacherer schiefe Ebene
Je steiler die schiefe Ebene umso größer die Hangabtriebskraft FH, die den Körper zu Tal zieht – und um so kleiner die Normalkraft FN, die ihn auf die Unterlage drückt (Zeichnung: Autor)

Nun ist aber in der Realität immer Reibung auch im Spiel. Die Reibung zwischen dem Körper und der schiefen Ebene wirkt der Hangabtriebskraft entgegen. Sie will verhindern, dass er die schiefe Ebene hinunterrutscht. Die Reibungskraft entspricht nun der Normalkraft mal dem Reibbeiwert. Wenn nun der Winkel α mehr und mehr verkleinert wird, wird die Normalkraft größer und die Hangabtriebskraft kleiner. Wenn die Hangabtriebskraft kleiner wird als das Produkt aus Normalkraft und Reibbeiwert, kann der Körper nicht mehr hinunterrutschen. Das nennt sich dann Selbsthemmung.

Nebenbei: Warum ein Allrader im Winter besser den Berg hinauf geht

Der Winkel, bei dem die Selbsthemmung eintritt, hängt von dem Reibbeiwert ab. Genauer gesagt: Der Tangens des Winkels α muss größer sein als der Reibbeiwert der jeweiligen Materialpaarung. In der Abbildung habe ich das mal formelmäßig hergeleitet. Muss man aber auch nicht unbedingt verstehen.

Umgekehrt gilt das auch: Wenn der Tangens des Steigungswinkels größer wird als der Reibbeiwert, geht es mit dem Körper unweigerlich abwärts. Das ist auch der Grund, warum man mit einem Fahrzeug bei Glätte an der Steigung hängen bleibt: Wenn bei einem Allrad der Tangens des Steigungswinkels größer wird als der Reibbeiwert Reifen/Straße, nutzen noch so viel PS und Newtonmeter nichts: Der Bock bleibt hängen.

Formelkram zu Schruaben am Motorrad
So leitet sich die Tatsache her, dass es ab einem bestimmten Winkel auf der schiefen Ebene nur noch abwärts geht…

Beim Nicht-Allrad ist es noch blöder: Hier steht ja nur die Achlast der angetriebenen Achse für die Normalkraft zur Verfügung, die Hangabtriebskraft resultiert aber aus dem gesamten Gewicht des Fahrzeugs. Der hängt also schon bei einem deutlich flacheren Winkel am Berg.

Selbsthemmung, Steigungswinkel und Steigung bei Schrauben am Motorrad

Zurück zu den Schrauben: Entscheidend ist nur die Tatsache, dass unter einem bestimmten Winkel ein Körper die schiefe Ebene nicht hinunterrutscht. Und dass dieser Winkel vom Reibbeiwert abhängt. Weil nun ja die Schraube eine aufgewickelte schiefe Ebene ist, gilt das auch für den Winkel der Gewindegänge.

Wenn eine Schraube eine sehr steile Steigung aufweist, funktioniert sie in beide Richtungen: Es verschiebt sich dann nicht nur die Mutter, wenn man die Schraube dreht, sondern die Schraube fängt auch an sich zu drehen, wenn man die Mutter verschiebt. Dieses Prinzip nutzt man zum Beispiel bei einem Drillbohrer aus.

Normalerweise kann man es aber nicht gebrauchen, wenn eine Verschraubung unter Zug anfängt sich aufzudrehen. Nicht bei einem Befestigungsgewinde, denn Aufgehen ist das Gegenteil von Befestigen. Und auch nicht bei einem Bewegungsgewinde. Eine Spindel an einer Werkzeugmaschine soll ja das Teil, dass man mit ihr bewegt, dort festhalten, wo man es hin gekurbelt hat. Sonst würde ja zum Beispiel beim Längsdrehen auf einer Drehbank der Durchmesser des Drehteils immer größer werden, je weiter der Werkzeugschlitten gefahren ist.

Schrauben am Motorrad - Abmessungen am Gewinde
Abmessungen an einem Gewinde (Zeichnung: Autor)

Das bedeutet nun, dass ein Gewinde in aller Regel einen so flachen Steigungswinkel aufweist, dass es sich selbst hemmt. Nur so bleibt die Mutter an der Stelle, an die wir sie hingedreht haben. Zu flach darf der Steigungswinkel aber auch nicht sein, weil man sich sonst einen Wolf schraubt, bis man die Schraube endlich drin hat.

Der Steigungswinkel – und damit die Steigung – eines Befestigungsgewinden des ist nun sozusagen ein Kompromiss aus Selbsthemmung und schnellem Einschrauben. Mit dem Gewindedurchmesser zusammen ergibt er dann die Steigung des Gewindes.

Abmessungen am Gewinde

In der Abbildung sind die wichtigsten Abmessungen an einem Gewinde dargestellt. Der Außendurchmesser ist gleichzeitig der Nenndurchmesser des Gewindes. Nach ihm wird nämlich in aller Regel die Größe des Gewindes benannt. Zum Beispiel M 6 für ein metrisches Regel -Spitzgewinde mit einem Außendurchmesser von 6 mm. Solche Gewinde werden als Befestigungsgewinde verwendet und daher finden wir sie auch bei Schrauben am Motorrad.

Die Gewindegänge weisen ein Profil in Form eines gleichseitigen Dreiecks auf. Den Winkel, den die beiden gleichen Seiten des Dreiecks bilden, bezeichnet man als Flankenwinkel. Der Durchmesser im Gewindegrund eines Außengewindes heißt Kerndurchmesser. Bei einem Innengewinde ist er der Durchmesser des Lochs, das man sieht, wenn man in eine Gewindebohrung schaut. Wenn man ein Loch bohrt, um ein Gewinde zu schneiden, bohrt man es etwas größer als der Kerndurchmesser dieses Gewindes. Das tut man deswegen, weil die Gewindebohrer beim Schneiden des Gewindes ein wenig Material nach innen verdrängen und die Bohrung enger machen.

Zeichnerische Darstellung von Gewinden
So werden Vattern- und Mutterngewinde, äh… Außen- und Innengewinde) zeichnerisch dargestellt: Der Gewindegrund ist immer eine schmale Volllinie, die Gewindspitzen sind eine breite – Ok, Bruchschleifen sind veraltet. Aber ich zeichne sie trotzdem 😉 noch, weil sie schöööön sind… (Zeichnung: Autor)

Der Durchmesser auf der Mitte der Gewindeflanken heißt Flankendurchmesser. Er ist für uns Schrauber kaum von Belang. Man benötigt ihn zum Beispiel für Festigkeitsberechnungen. Die Steigung ist wie bereits gesagt der Betrag, den sich Schraube oder Mutter bei einer Umdrehung längs der Gewindeachse verschiebt.

Gewinde und Schrauben am Motorrad-  Tabellenbuch Metall
Das gute, alte Tabellenbuch Metall…

Der Kerndurchmesser ist bei der Mutter etwas größer als beim Vater, also beim Bolzen. Da man nicht 100-prozentig genau arbeiten kann, gibt es nämlich Toleranzen auf diese Maße. Wären die beiden Kerndurchmesser gleich, könnte es passieren, dass der des Mutterngewindes etwas klein ausfällt und/oder der des Vaterngewindes etwas groß. Dann würde der Vater nicht in die Mutter passen. Deswegen sieht man hier ein kleines Spiel vor. Ganz allgemein muss etwas, das in etwas anderes hineingesteckt werden soll, etwas kleiner sein. „Null auf Null läuft nicht,“ pflegte der Herr Mechanikermeister Leonhardt Eckle zu sagen.

Diese ganzen Maße stehen übrigens in Werken wie dem Tabellenbuch Metall aus dem Europa Verlag. Man findet sie aber auch im Internet, auf Seiten von Lieferanten für Schrauben und Muttern und dergleichen wie zum Beispiel dem „Schraubenlexikon“.

Regelgewinde bei Schrauben am Motorrad

Die meisten Schrauben, die wir in die Finger bekommen, weisen eine so genanntes Regelgewinde auf. Auch wenn sie nicht rot sind. Legen wir mal Schrauben in verschiedenen Nenndurchmessern nebeneinander: Wir stellen dabei fest, dass sich die Gewinde sehr ähnlich sehen. Das liegt daran, dass sie ganz ähnliche Steigungswinkel haben.

… verrät uns gar manches über Gewinde und Schrauben am Motorrad

Legen wir mal den Reibbeiwert Stahl auf Stahl mit 0,15-0,3 zu Grunde, der ja gleichzeitig der Tangens des zugehörigen Grenzwinkels für die Selbsthemmung ist. Dann kommen wir auf Selbhsthemmungs-Grenzwinkel von ungefähr achteinhalb bis etwas mehr als sechzehn Grad. Mit dem Steigungswinkel unserer Schrauben am Motorrad ist man jetzt sehr weit auf die sichere Seite gegangen. Die Steigungswinkel von Schrauben mit Regelgewinde liegen zwischen 2 und 3°.

Dass unsere Regelgewinde-Schrauben am Motorrad doch etwas unterschiedliche Steigungswinkel aufweisen, hat folgenden Grund: Würde man bei jedem Gewinde-Nenndurchmessern stur den gleichen Steigungswinkel, zum Beispiel 2,5°, verwenden, würden dabei elend krumme Steigungen mit X Stellen nach dem Komma herauskommen. Um dies zu vermeiden, variiert man den Steigungswinkel ein wenig, sodass die Steigungen zu den verschiedenen Nenndurchmessern glatte Viertel oder wenigstens Zehntel Millimeter ergeben. Ausnahmen sind nur M 1,6 und M 2,5 mit 0,35 bzw. 0,45 mm Steigung.

Langer Rede kurzer Sinn: Die Steigungen der Regelgewinde sind dem Nenndurchmesser jeweils fest zugeordnet. Und zwar so, dass man mit dem Steigungswinkel bezüglich der Selbsthemmung weit auf der sicheren Seite ist.

Feingewinde bei Schrauben am Motorrad

Bei unseren Schrauben am Motorrad finden wir öfter auch Schrauben mit einem so genannten Feingewinde. Das hat den folgenden Hintergrund: Man ist zwar mit dem Steigungswinkel der Regelgewinde normalerweise auf der sicheren Seite. Nun können sich Verschraubungen mit Regelgewinden bei Vibrationen aber doch von selbst los drehen.

Die Medizin dagegen ist das Feingewinde. Es hat einfach eine kleinere Steigung als das Regelgewinde mit dem gleichen Durchmesser. Dadurch schraubt es sich weniger leicht von selbst auf. Der Preis, den man dafür bezahlen muss: Man braucht mehr Umdrehungen, bis die Schraube drin ist. Das Feingewinde ist also so eine Art Schraubensicherung gegen eigenmächtiges Aufgehen der Verschraubung. Mit Feinmechanik, wie mancher vielleicht meint, hat das nichts zu tun.

Schrauben am Motorrad - Gewindelehre
Eine Gewindelehre, eigentlich ein Satz Gewindelehren: Mit so einem Dingens kann man die Steigung eines vorhandenen Gewindes ermitteln. Damit man zum Bleistift weiß, was für eine Schraube oder Mutter man kaufen muss.

Metrische Regelgewinde gibt es pro Nenndurchmesser nur eins. Man bezeichnet sie mit dem Buchstaben „M“ und dem Nenndurchmesser in Millimeter: M 6, M 8, M 10… Da die Steigung jedem Nenndurchmesser fest zugeordnet ist, braucht sie nicht extra angegeben zu werden.

Metrische Feingewinde jedoch gibt es mit jeweils mehr als einer Steigung. Deswegen muss man sie zusätzlich angeben. Das M 6er Regelgewinde hat eine Steigung von 1 mm. Es gibt hier auch zwei Feingewinde, mit 0,75 mm und 0,5 mm Steigung. Sie heißen M 6 x 0,75 und M 6 x 0,5.

Gewindesteigung ermitteln

Beim Schrauben am Motorrad kommt es vor, dass wir auch mal eine Schraube oder Mutter mit Feingewinde brauchen. Also ja nicht mit Gewalt draufwürgen, wenn mal eine normale M 6er Mutter auf einem Gewinde mit 6 mm Durchmesser nicht anpacken will! Meist handelt es sich in so einem Fall um ein Feingewinde.

Das nette kleine Instrument, das in der Abbildung weiter oben zu zu sehen ist, hilft Dir weiter. Das ist eine sogenannte Gewindelehre. Genauer gesagt ein Satz Gewindelehren. Man probiert ganz einfach, welche der kleinen „Sägen“ genau in das fragliche Gewinde passt und weiß dann die Steigung. Und nach welcher Schraube oder Mutter man sich die Hacken ablaufen darf. Man kann die aber auch im Internet bestellen.

Schraubenantriebe und Schlüsselweiten bei Schrauben am Motorrad

Die Form des Schraubenkopfes bezeichnet der Fachmann als Antrieb der Schraube. Der einfachste Antrieb ist der Sechskantkopf. Die gängigsten metrischen Schrauben mit Sechskantkopf sind die nach DIN 931 und DIN 933. Heute heißen sie ISO 4014 und ISO 4017. Man findet die alten DIN-Bezeichnungen aber noch öfter bei Schraubenlieferanten.

Schrauberbits für Schrauben am Motorrad
Ein vernünftiger Satz Schrauber-Bits und man ist für die meisten Eventualitäten beim Schrauben am Motorrad gerüstet (Foto: Autor)

Der einzige Unterschied zwischen den alten DIN- und den heutigen ISO-Schrauben: Bei einigen Nenndurchmessern haben die ISO-Schrauben andere Schlüsselweiten als die alten nach DIN so gehört beispielsweise zum Gewinde M 10 jetzt der 16er und nicht mehr der 17er Schlüssel.

Die berühmte „Imbus“-Schraube

Bei Schrauben am Motorrad finden wir sehr oft auch die so genannten „Imbusschrauben“. Richtig heißen sie „Schrauben mit zylindrische Kopf und Innensechskant“. Heute sind diese Schrauben genormt. Sie kamen aber einmal als Produkt einer speziellen Schraubenfirma namens Bauer und Schaurte unter dem Namen „INBUS“ auf den Markt. Mit N und nicht mit M. „INBUS“ steht für „Innensechskantschraube Bauer und Schaurte“. Die haben das Dinges also einst erfunden. Ein N nach einem B spricht sich schlechter aus als ein M, weil die Laute M und B an der selben Stelle im Mund erzeugt werden, dass N an einer anderen. Deswegen kann man ruhig Imbus sagen. Beim Schrauben am Motorrad soll ja möglichst nichts brechen, auch nicht unsere Zunge.

Die Innensechskantschrauben waren nun ein Fortschritt gegenüber den üblen Schlitz- und Kreuzschlitzschrauben. Allerdings neigen sie aufgrund der flachen Winkel (120°) an den Ecken immer noch dazu, rund zu werden. Das Nonplusultra der Schraubenantriebe ist zur Zeit der Torx-Antrieb. Ähnlich ist der Vielzahn-Antrieb, aber weniger verbreitet. Wie es aussieht, setzt sich wohl Torx durch. Vor allem an älteren Guffeln finden wir aber noch die alten Innensechskantschrauben.

Der – scheinbare – Nachteil von Torx

Herkömmliche Schlitzschrauben zentrieren Schraubenzieher bzw. Bit nicht im Schraubenkopf. Kreuzschlitz neigt zum Vermurxen. Inbus wird doch gerne mal rund, wenn Schrauben am Motorrad fest sitzen.

Ähnlich, aber keineswegs das Gleiche: Vielzahn (links) und Torx (rechts) (Foto: Autor)

Torx hat nun den Nachteil, dass man immer das haargenau passende Bit braucht. Das ist aber in Wirklichkeit kein Nachteil, sondern ein Vorteil: Denn man ist gezwungen, das richtige Bit zu nehmen. Bei Kreuzschlitzschrauben geht zur Not auch ein ungefähr passendes. Und das ist eine exzellente Methode, den Schraubenkopf zu vermurxen.

Bevorzugte Größen und Schlüsselweiten, die Japaner und die böse 13

Vom Prinzip her kann man metrische Spitzgewinde von Millimeter zu Millimeter machen. In der Regel werden aber nur ganz bestimmte Größen verwendet: M 5, M 6, M 8, M 10, M 12, M 16, M 20, M 24, M 30… Die Abstände zwischen den Größen werden immer größer. Das liegt daran, dass der Unterschied im Durchmesser zwischen 5 und 6 mm im Verhältnis größer ist als der zwischen 24 und 25 mm. Wenn eine M 24er zu schwach ist, wäre eine M 25er oder M 26er auch nicht viel stärker. Man nimmt dann eben gleich M 30.

Beim Schrauben am Motorrad ist es mir noch nicht aufgefallen, aber bei Autos: Hier werden manchmal perverse Größen verwendet. So war zum Beispiel die Ölwanne des R 20 von Renault mit Schrauben M 7 befestigt. Das hat vermutlich den Hintergrund, dass bei der Herstellung von Autos mit extrem spitzen Bleistift gerechnet wird. Normalerweise würde man, wenn rechnerisch M 7 die richtige Wahl wäre, entweder M 6 und mehr Schrauben verwenden oder M 8 und ein paar weniger als für M 7 berechnet.

Elfie wird zwar von metrischen Schrauben zusammengehalten, aber die Schlüsselweite 13 wird man an ihr vergeblich suchen… (Foto: Autor)

Wenn man nämlich die Schrauben mit M 7 überhaupt bekommt, wären sie vermutlich sehr teuer. Nicht aber für die Autoindustrie. Ein Autohersteller nimmt die Schrauben in so großen Stückzahlen ab, dass der Hersteller sie offenbar genauso billig fertigen kann, wie die Allerweltsgrößen. Nur nimmt man uns dann doch wieder ein Schweinegeld dafür ab – weil „Original-Ersatzteil“.

Die Schlüsselweiten der Sechskantschrauben sind nun in der DIN 931, DIN 933 bzw. ISO 1014 und ISO 1017 den Gewindedurchmessern fest zugeordnet. Bei europäischen Autos und Motorrädern gehört daher zu einer M 8er Schraube die 13er Schlüsselweite. Bei japanischen braucht man den 12er Schlüssel. Manchmal auch den 14er. Vermutlich weil 13 eine Unglückszahl sein soll. Mag sein, dass Rücksicht auf den amerikanischen Markt dahintersteckt. Dort wird ja die 13 möglichst vermieden. Wenn das tatsächlich so ist, ist das ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die Japaner hinsichtlich ihrer Kunden so einiges denken. So habe ich vor vielen Jahren schon mal gelesen, dass in japanischen Autos viel mehr nützliche, durchdachte Kleinigkeiten stecken als in europäischen: Zum Beispiel Getränkehalter für Autos, die auch in warmen Gegenden wie den Südstaaten der USA verkauft werden sollen.

Very British oder American Way of Life? Zollgewinde ist nicht Zollgewinde

Bisher haben wir nur über metrische Gewinde und Schrauben am Motorrad gesprochen. Die kommen an europäischen und japanischen Fahrzeugen vor. Amerikanische und englische Autos und Motorräder verwenden „Zollgewinde“.

Wer an solchen Guffeln schraubt, braucht zöllig‘ Werkzeug und zwar very british… (Bild: Yesterdays Antique Motorcycles – Lizenz: CC BY-SA 4.0)

Und die heißt es aufpassen: Es gibt nämlich zwei Arten von „Zollgewinden“, englische und amerikanische. Die englischen sind nach BSI genormt. Das BSI ist sozusagen das DIN des UK. Die britischen „Zollgewinde“ haben einen Flankenwinkel von 55°. Das Regelgewinde heißt BSW für „British Standard Whitworth“ und wird so verwendet wie unser metrisches Regel-Spitzgewinde. Es hat seinen Namen von Sir Joseph Whitworth, auf den es zurückgeht und der die erste Gewindenorm schuf.

Unterschied beim Flankenwinkel

Braucht der Brite ein Feingewinde, greift er auf das BSF zurück, was für „British Standard Fine“ steht. Die Nenndurchmesser der britischen Gewinde werden natürlich in Zoll und nach alter Väter Sitte in Bruchteilen davon angegeben: 3/8“, 7/16“, 1/2“ usw. Die Steigungen der britischen Gewinde werden in Gängen pro Zoll angegeben. Diese Gewinde finden wir an alten englischen Motorrädern. Die Briten stellen ja auch auf das metrische System um und so werden neue englische Motorräder – zumindest überwiegend – von metrischen Schrauben zusammengehalten. Die Schlüsselweiten sind auch hier den Gewindedurchmessern zugeordnet und werden ebenfalls als Zoll-Brüche angegeben. Aber aufgepasst: Hier steht nicht die Schlüsselweite, sondern der zugehörige Gewindedurchmesser auf dem Schlüssel.

Noch mal eine andere Baustelle sind die amerikanischen Zollgewinde, genormt nach ANSI-Normen (American National Standards Institute). Sie haben wie die DIN- bzw. ISO-Gewinde einen Flankenwinkel von 60°. Die Maße sind aber zöllig. Es sind im Prinzip ISO-Spitzgewinde, aber mit zölligen Maßen.

… und dafür braucht man die amerikanischen Zoll-Werkzeuge (Bild: Livioandronico2013, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International )

Es gibt hier das „Unified National Coarse Thread“, kurz UNC, als Regelgewinde und das UNF, „Unified National Fine Thread“ als Feingewinde. Es gibt auch noch eine Extra-Feingewinde, das UNEF („Unified Extras Fine). Auch hier sind natürlich die Schlüsselweiten wieder den Gewindedurchmessern zugeordnet und auf den Schraubenschlüsseln wird wie bei uns die Schlüsselweite angegeben.

Verbaut werden amerikanische Gewinde und Schrauben am Motorrad wo wohl? Natürlich bei den Guffeln aus Milwaukee. Und vermutlich auch bei Indian. Haben diese neuen Indians eigentlich auch noch stehende Ventile wie 1953, als die Original-Firma pleite ging?

Festigkeitsklassen bei Schrauben am Motorrad

Selbst wenn zwei Schrauben im Durchmesser und der Steigung gleich sind sowie auch den gleichen Kopf besitzen, müssen sie nicht gleich sein. Schrauben gibt es ja nicht nur überhaupt aus unterschiedlichen Metallen, sondern es werden auch bei stählernen Schrauben verschiedene Stähle verwendet.

Je nachdem, aus was für einem Werkstoff eine Schraube ist, hält sie unterschiedlich viel aus. Wie viel sie aushält, geht aus ihrer Festigkeitsklasse hervor. Die heute hauptsächlich übliche Bezeichnung der Festigkeitsklassen besteht aus zwei Zahlen, die durch einen Punkt getrennt sind. Die Zahl vor dem Punkt gibt Aufschluss über die Mindestzugfestigkeit des verwendeten Werkstoffs. Wenn man sie nämlich mit 100 multipliziert, erhält man diese Mindestzugfestigkeit in N/mm2.

Aus der untersten Schublade des Festigkeitsregals: Eine DIN 931 bzw. ISO 4014 der Festigkeitsklasse 4.6. Beim Schrauben am Motorrad darf man sowas gar niemals nie und nimmernicht verwenden! (Bild: Autor)

Die Zahl hinter dem Punkt führt den kundigen Betrachter der Schraube zur Mindeststreckgrenze des Werkstoffs. Nimmt man die Zahl vor dem Punkt mal der Zahl nach dem Punkt und multipliziert das ganze mit Zehn, erhält man die Mindeststreckgrenze ebenfalls in N/mm2.

Auf die Streckgrenze kommt es an

Der entscheidende Wert dabei ist die Streckgrenze, nicht die Zugfestigkeit. Die Zugfestigkeit gibt an, bei welcher Belastung der Werkstoff abknallt. Vorher, an der Streckgrenze nämlich, hat er aber schon lange begonnen, sich zu verformen. Und etwas das sich verformt hat, ist in aller Regel im Eimer, auch wenn es dann doch nicht abgekracht ist.

Auf den Muttern steht nur eine Zahl. Sie liefert, mit 100 multipliziert, die Zugfestigkeit. Sie dient wohl nicht zu Festigkeitsberechnungen, sondern nur dazu, einer Schraube die Mutter mit der gleichen Qualität zuzuordnen.

Man muss das Zeux von Zugfestigkeit und Streckgrenze nicht unbedingt verstehen, um die richtige Schraube zu finden. Man muss nur wissen, dass man darauf achten muss, dass die gleiche Festigkeitsklasse oder eine höhere auf dem neuen Teil stehen muss. Und dass die Mutter dazu die gleiche Zahl aufweisen muss, die bei der Schraube vor dem Punkt steht.

Noch ein kleiner Tipp, aber eher einer für Harcore-Schrauber, die auch mal selbst ein Teil anfertigen: Höherwertige Stähle zu bekommen ist nicht immer ganz einfach. Wenn man ein Teil machen möchte, dass ähnlich belastet wird wie eine Schraube, kann man eine entsprechend große Schraube als Rohmaterial nehmen. Die entsprechenden Normen, hier ein Auszug, geben Auskunft darüber, was die Stähle für die verschiedenen Festigkeitsklassen (ab-)können müssen.

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  1. Wow was für ein toller Artikel , an dem ich als alter Schrauber meine helle Freude habe !

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