I) Hubraum ist durch nichts zu ersetzen…

… außer durch noch mehr Hubraum. Jeder Biker kennt diesen Spruch, auch wenn er selbst nicht zu denen gehört, für die alles unter einem Liter Hubraum eh‘ nur bessere Mokicks sind. Die Leistung aus dem Hubraum zu holen ist einfacher, als sie mit astronomischen Drehzahlen aus Minizylindern herauszukitzeln. Zudem sind dabei auch die Abgaswerte besser beherrschbar. Aber was ist nun eigentlich Hubraum? Und was hat das mit Bohrung und Hub auf sich? Und mit der Verdichtung? Und mit Leistung und Drehmoment?

Er wird uns sicher erhalten bleiben – trotz Verbrenner-Aus-2030-Phantasien: Der gute, alte Hubkolben-Verbrennungsmotor, hier der einer Münch, dem Superbike der 1970er (Bild: © Friedrich Haag / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)

Fragen über Fragen… Aber wenn man die Antworten kennt, kann man die technischen Daten eines Motorrades (und eines Autos) besser beurteilen und weiß daher eher, was man von der Maschine erwarten kann. Hilfreich zum Beispiel, wenn man sich mal wieder ein neues (oder gebrauchtes) Fahrzeug anschaffen möchte.

Hubkolbenmotoren…

Die schon lange und vermutlich auch noch lange gebräuchlichen, heute üblichen Verbrennungsmotoren sind Hubkolbenmotoren. Außerdem gehören sie zu den Wärmekraftmaschinen. Wärmekraftmaschinen sind Maschinen, die aus Wärmeenergie mechanische Arbeit machen. Und das machen sie in vielen Fällen mit Hilfe von Kolben und Zylindern.

In letzter Konsequenz stammt der Hubkolben-Verbrennungsmotor von der Kanone ab. Wenn man mit so einem Ding schießt, verbrennt das Pulver zu heißen Gasen. Die wollen sich ausdehnen und schieben dabei das Geschoss durch den Lauf. Bei einem Hubkolben-Verbrennungsmotor ist quasi das Geschoss durch den Kolben ersetzt. Der fliegt aber nicht davon, sondern er dreht über das Pleuel an einer Kurbel, so dass aus seiner linearen Bewegung die Drehbewegung einer Welle wird, die deswegen Kurbelwelle heißt.

… und ihr schlechter Wirkungsgrad…

Über Wirkungsgrad wird ja heute viel geredet. Elektroauto-Fans protzen damit, dass Elektromotoren ein Wirkungsgrad von etwa 85 oder 90% haben und Verbrenner-Freaks müssen verschämt zugeben, dass ihre Maschinen es kaum über 40% bringen und das auch nur im günstigsten Fall. Allerdings werden dabei Äpfel mit Birnen verglichen.

Hier wird nämlich der Wirkungsgrad der jeweils einzelnen Maschine betrachtet, der in diesem Zusammenhang wenig aussagt. Unabhängig von der Art der Energie betrachtet man dabei nur das Verhältnis zwischen der Energie bzw. Leistung, die man in die Maschine hineinsteckt und der, die auf der anderen herauskommt.

… der eigentlich wenig bis nichts aussagt

Wenn man in einen Elektromotor 1 kWh elektrische Energie hineinsteckt und er verrichtet damit 900 Wh mechanische Arbeit, hat er einen Wirkungsgrad von 0,9 oder 90%. Steckt man in einen Verbrennungsmotor eine Portion Kraftstoff, die 1 kWh in Form von chemischer Energie enthält und er verrichtet damit 350 Wh mechanische Arbeit, weist er einen Wirkungsgrad von 0,35 oder 35% auf. Was dabei aber außen vor bleibt, ist die Tatsache, dass man so wohl den Strom als auch den Sprit erst mal machen muss.

So wird der Strom für E-Autos derzeit tatsächlich noch gemacht… (Bild: Leonhard Lenz/Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International)

Daher betrachtet man sinnvollerweise den Wirkungsgrad Well-to-Wheel, der von der Quelle bis zum Rad die Verluste an den verschiedenen Stationen der Prozesskette einkalkuliert. Beim Verbrennungsmotor also den Gehalt an chemischer Energie einer bestimmten Menge Rohöls im Boden im Vergleich zur mechanischen Arbeit, die letztendlich der Motor mit dem daraus hergestellten Benzin verrichtet. Da fließen dann der Energiebedarf für das Fördern des Rohöls, das Raffinieren und den Transport mit ein.

CO2-frei? Guter Witz…

Dabei sieht dann der Elektromotor gar nicht mehr so toll aus. Denn im Moment ist ein großer Teil unseres Stroms noch „schmutziger“ Strom aus Wärmekraftwerken, die mit fossilen Energieträgern arbeiten. Was nie gesagt wird, aber bei genauerem Hinsehen klar wird: Wenn man es ganz genau nimmt, fahren Elektroautos momentan sogar noch zu 100% mit „schmutzigem“ Strom: Derzeit erzeugen wir erst gute 40% unseres Stroms mit Erneuerbaren Energiequellen. Der „grüne“ Strom deckt also noch nicht einmal den Bedarf der herkömmlichen Stromverbraucher ab, daher wird ja immer noch „schmutziger“ erzeugt. Die Elektro“mobilität“ braucht aber zusätzlichen Strom, der zum sonstigen Bedarf hinzu kommt und logischerweise nur aus „schmutzigen“ Quellen stammen kann, weil der „grüne“ Strom ja bereits komplett von den herkömmlichen Verbrauchern beansprucht wird. Daher bedeutet jedes E-Auto mehr die Erzeugung von zusätzlichen 2250 kWh „schmutzigen“ Strom im Jahr. Bitter für Öko-Adepten: E-Autos werden de facto mit Kohlestrom betrieben! Oder noch schlimmer: mit Atomstrom!

Erst wenn restlos aller Strom grün ist, sind Elektroautos CO2-frei. Dann kann man aber auch E-Fuels mit grünem Strom erzeugen und den Verbrenner ebenfalls CO2-frei machen. Da interessiert dann auch kein Wirkungsgrad mehr, sondern da geht es dann nur noch drum, was es kostet Strom oder eFuel für einen Kilometer Fahrt zur erzeugen, denn mit Sonne und Wind brauchen wir nicht zu sparen. Wobei der Strom für Elektroautos hier bei uns gemacht werden muss, der für eFuel aber dort, wo das spottbillig geht, z.B. in der Sahara.

Eine Hubkolben-Wärmekraftmaschine: Ob Dampf oder heiße Verbrennungsgase – das Prinzip ist immer das Gleiche (Bild: Autor)

Natürlich könnte man ja den Strom für die E-Autos auch in der Sahara erzeugen. Da bräuchte man aber eine Stromleitung von dort zu uns. Wollte man ja mit diesem Projekt namens Desertec auch machen. Das ging aber schon im Vorfeld in die Hose. Also, keine Stromleitung aus der Sahara zu uns. Tankschiffe, Tankwagen für die Eisenbahn und Tanklastautos zum Transport gibt es dagegen sehr wohl schon. Und alle drei können nicht nur eFuel aus Sonnenstrom transportieren, sonden auch mit klimafreundlichen Treibstoff aus der Sahara betrieben werden. Also genauso Null CO2-Emission pro km – wie beim E-Auto.

Der Zylinder und der Kolben

Zurück zur Technik! Das Prinzip einer Hubkolben-Wärmekraftmaschine sieht man im Bild oben. In einem Zylinder dehnt sich ein heißes Gas aus, drückt dabei den Kolben nach rechts und dreht dadurch die Kurbelwelle im Uhrzeigersinn. Wenn der Kolben die Kurbelwelle so weit gedreht hat wie die Kurbelwelle erlaubt, steht er im Unteren Totpunkt, kurz UT genannt. Wenn die Kurbelwelle sich dann weiter dreht, schiebt sie den Kolben wieder so weit sie kann nach links, bis er im Oberen Totpunkt (kurz OT) angelangt ist. Und wenn sie sich weiter dreht, geht das Ganze wieder von vorne los.

Von alters her setzt Harley-Davidson auf Langhuber, wie bei dieser Late Shovelhead (Bild: Dave_S. from Witney, England/Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic)

Das heiße Gas, das den Kolben nach rechts schiebt und damit die Kurbelwelle dreht, kann z.B. ein Schluck Dampf sein, den man in den Zylinder gelassen hat, als der Kolben im OT stand. Der Dampf dehnt sich im Zylinder aus und schiebt. So geht das bei der Dampfmaschine. Bei einem Verbrennungsmotor zündet man ein Kraftstoff-Luft-Gemisch im Zylinder an, das verbrennt, heiß wird und sich deswegen ebenfalls ausdehnt. Dabei schiebt es den Kolben ebenfalls nach rechts und kurbelt so an der Kurbelwelle. Und das Schieben des Kolbens funktioniert, wie gesagt, im Grunde genauso wie bei einer Kanone das Geschoss durch den Lauf getrieben wird.

Was ist nun dieser Hubraum?

Hubraum ist toll und – wie gesagt – durch nichts zu ersetzen, außer… Es wird ja auch immer davon geredet, das eine Guffel oder eine Gummirutsche soundso viel Hubraum habe. Aber was ist das genau, dieser Hubraum?

Im Grunde ganz einfach, aber nicht so einfach zu erklären. Vielleicht so: Wenn sich der Kolben vom OT zum UT bewegt wie im Bild, gibt es immer mehr Platz im Zylinder. Und der Raum, der dabei frei wird, ist der Hubraum. Oder anders ausgedrückt: Der Unterschied im Rauminhalt des gesamtem Zylinders einschließlich Zylinderkopf, zwischen der Stellung des Kolbens im OT und der im UT.

Bohrung und Hub

Der Hubraum ist nun zylindrisch, weil der Kolben kreisrund ist und sich geradlinig bewegt. Der Rauminhalt eines Zylinders ergibt sich bekanntlich aus seiner Grundfläche und seiner Höhe, wenn man sie miteinander multipliziert. Die Grundfläche ist in diesem Falle ein Kreis mit dem Durchmesser von Kolben bzw. Zylinder (die beide ja gleich sind, weil der Kolben genau in den Zylinder passt). Diesen Durchmesser bezeichnet man als Bohrung. Die Höhe des gedachten Zylinders, der den Hubraum darstellt, ist der Weg, den der Kolben zwischen OT und UT zurücklegt. Und diesen Weg nennt man den Hub. Er ergibt sich aus dem Durchmesser des Kreises, den der Mittelpunkt des Kurbelzapfens um den Mittelpunkt der Kurbelwelle beschreibt.

Da sich die Kreisfläche zu d2 x π/4 errechnet, heißt die Formel für den Hubraum VHub mit b für die Bohrung und h für den Hub:

VHub = b2 x π/4 x h

Bohrung und Hub werden, wie’s der Brauch ist im Maschinenbau, in mm angegeben. Soll der Hubraum in ccm herauskommen, muss man sie in cm umrechnen, bevor man sie in die Formel einsetzt.

Langhuber und Kurzhuber – Dampfhammer und Kreissäge

Das gleiche Produkt kann sich aus unterschiedlichen Faktoren ergeben. Eine kleinere Bohrung und ein größerer Hub können den gleichen Hubraum ergeben wie eine größere Bohrung und ein kleinerer Hub. Das Verhältnis von Bohrung und Hub beeinflusst nun aber maßgeblich die Charakteristik eines Motors. Ist die Bohrung kleiner als der Hub spricht man von einem Langhuber. Bei einem Kurzhuber ist das umgekehrt.

Rennziegen wie die Hayabusa von Suzuki sind typische Kurzhuber (Bild: Dennis Bratland/Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Beim Langhuber ist der Abstand zwischen dem Drehpunkt der Kurbelwelle und dem Hubzapfen, also der Hebelarm, mit dem der Kolben über das Pleuel die Kurbelwelle dreht, groß. Deswegen bringt so ein Motor Drehmoment und Dampf von unten rauf. Gleichzeitig ist aber auch der Weg zwischen den Totpunkten, den der Kolben pro Umdrehung ja zweimal sogar zurücklegen muss, größer. Bei gleicher Drehzahl ist der Kolben also schneller unterwegs, die (mittlere) Kolbengeschwindigkeit ist höher. Da die nun aber nicht zu hoch werden soll, ist der Langhuber nicht gut für hohe Drehzahlen geeignet. Die typischen Harley-Davidson-Motoren sind Beispiele für astreine Langhuber.

Beim Kurzhuber hingegen ist der Hebelarm, mit dem der Kolben an der Kurbelwelle kurbelt, klein. Das ergibt weniger Drehmoment und nicht so viel Dampf im unteren Drehzahlbereich. Weil aber gleichzeitig die Kolbengeschwindigkeit bei gleicher Drehzahl niedriger ist als beim Langhuber, verträgt so ein Motor höhere Drehzahlen. Schnelle Bikes wie z.B. die CBRs von Honda oder die Suzuki Hayabusa sind deutliche Kurzhuber.

Ein fast quadratisches Bohrung/Hub-Verhältnis haben z.B. die BMW R75/5 und die Honda CB 750 aus den Siebzigern. Obwohl äußerlich zwei doch recht unterschiedliche Guffeln, sind sie beide moderate Kurzhuber. Allerdings konnte man auch in den Moppeds mit den zwei Ohren offenbar schon immer ganz ordentlich Feuer machen, wie die Rennerfolge von BMW in früheren Zeiten zeigen.

Das war’s für diesmal, im zweiten Teil dieser Reihe soll es dann um Zweitakter und Viertakter gehen.