Bauernmotor fürs Moped?

Lange Zeit war der meist stehende Einzylinder ein typischer Antrieb für Motorräder. Wo ein motorisiertes Fahrzeug gefragt ist, es aber nicht für ein Auto reicht, war und ist er der Antrieb der Wahl. Man findet den Einzylinder-Motorradmotor aber auch in legendären Maschinen und aktuellen Bikes.

Bei der Bulldog-Fabrik Lanz in Mannheim fand man ja einst, dass der Motor des Bauern nicht einzylindrig genug sein könne. Tatsächlich ist der Einzylinder die einfachste Bauart eines Hubkolben-Verbrennungsmotors, die man sich vorstellen kann. Als Zweitakter wird der Einzylinder-Motorradmotor zum sprichwörtlichen „Motor mit den drei beweglichen Teilen“.

Massenmotorisierung mit dem Einzylinder-Motorradmotor

Mit dem zweiten Motorradboom zeigten uns die Japaner, dass man auch kleinere Hubräume auf mehrere Zylinder verteilen kann. Das waren aber bereits Motorräder, die man zum Spaß fuhr Die Butter-und-Brot-Maschinchen des ersten Motorradbooms waren jedoch durchweg Einzylinder. Zweizylinder fand man damals eher selten und wenn, dann in Motorrädern mit sportlichem Charakter wie der „Schwarzen Josephine“ von Tornax.

Einzylinder-Motorradmotor: Hero Honda Splendor
Wie einst den Bundesbürger der frühen Wirtschaftwunderzeit: Solche einzylindischen Güffelchen wie diese Hero Honda Splendor aus Indien motorisieren heute Ostasien und Afrika (Bild: Larry Tomlinson/CC Attribution 2.0 Generic)

Eine ähnliche Situation wie im Europa der Wirtschaftswunderzeit finden wir heute in vielen Teilen Asiens und Afrikas. Dort ist der Markt für die kleinen Maschinchen, die durchweg von einem Einzylinder-Motorradmotor angetrieben werden. Wie bei uns in den fünfziger Jahren ist dort das bescheidene Motorrädchen oder der Motorroller ein wichtiges Verkehrsmittel.

Legenden mit einem Zylinder

Andererseits ist der Einzylinder-Motorradmotor aber nicht nur ein Motor für arme Leute. Auch Motorräder, die man zum Spaß fährt, besitzen oft nur einen Zylinder. Was in ärmeren Ländern als wichtiges Verkehrsmittel dient, verkauft sich bei uns oft auch gut als kleiner, handlicher Flitzer für die kurzen Wege. Oder in der 125er als Einstiegsdroge für Leute, die noch keinen Führerschein für ein richtiges Motorrad haben bzw. noch zu jung dazu sind.

Einzylinder-Motorradmotor: Standard BS 500
Kein Butter-und-Brot-Motorrädlein sondern ein richtiger Dampfhammer aus alten Tagen: Eine Standard BS 500 von Gutbrod. (Bild: Joachim Köhler/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Das ist die eine Spielart des Eintopfs. Der Einzylinder-Motorradmotor begegnet uns aber auch als Dampfhammer mit respektablen Hubraum in stärkeren Maschinen. In Deutschland waren auch eher sportliche Motorräder wie die R 25 von BMW oder die NSU Max Einzylinder. Sieht man mal von der wie Biclindrica ab, baute zum Beispiel auch Moto Guzzi früher nur solche Motoren und zwar bis zu 500 cm³ Hubraum. Der typische Guzzi-Motor der alten Tage war der liegende Einzylinder-Viertaktmotor

Der Einzylinder-Motorradmotor – Vor- und Nachteile

Der größte Vorteil, den der Einzylinder-Motorradmotor bietet, ist seine Einfachheit. Er baut schmal und ist verhältnismäßig leicht. Als Zweitakter liefert er pro Umdrehung einen Antriebsimpuls. Als Viertakter sogar nur bei jeder zweiten. Deswegen braucht er auch eine entsprechende Schwungmasse. Der Massenausgleich lässt sich zwar gut über die Kurbelwelle erreichen. Trotzdem gibt es allerhand Vibrationen, die man heute mit Ausgleichswellen zu mindern versucht.

Ein großer Viertakt-Einzylinder kann auch nicht spritzig sein. Er benötigt ja eine gewaltige Schwungmasse. Und die muss natürlich in Gang gesetzt werden, wenn man am Gashahn dreht. Andererseits lässt so ein Motor sich auch nicht so leicht beeindrucken, wenn er kurz mal mehr ziehen muss, etwa an einem kurzen steileren Stück.

Einzylinder-Motorradmotor: Yamaha Tenere
Auch in modernen High-Tech-Bikes kommt der Einzylinder-Motorradmotor zum Zug: z.B. ind Enduros wie der aktuellen Ténéré 700 von Yamaha… (Bild: Pressefoto Yamaha)

Bei großen Hubräumen ergibt sich beim Einzylinder Motorradmotor noch ein weiteres Problem: der Gaswechsel. Je größer der Zylinder, desto mehr Frischgas muss ja beim Ansaugtakt hinein gepackt werden. Und natürlich auch entsprechend mehr Auspuffgas beim Auslass hinausgeschoben werden.

Geliebte Dampfhämmer

Der schwierige Gaswechsel ist natürlich kein spezielles Problem des Einzylinder, sondern ein allgemeines bei großen Zylindern. Auch die großen Zweizylinder sind hier betroffen. Man denke mal, dass bei der R 18 von BMW und den aktuellen großen Harleys ja auch jeweils etwa 900 cm³ auf jeden Zylinder entfallen. Dieser Hubraum dürfte auch das Maximum der sinnvollen Größe eines einzelnen Zylinders in einem Motorradmotor sein.

Naked Bike mit Einzylinder KTM 690 Duke
… aber auch ein flottes Naked Bike wie die KTM 690 Duke R kann man mit einem Einzylinder motorisieren. (Bild: KTM Pressefoto)

Ein großvolumiger Einzylinder-Motorradmotor wird nie ein Softie sein sondern immer ein ruppiger Bursche. Aber genau das ist es ja, was die Fahrer solcher Motorräder an ihren Maschinen lieben. Daher haben die großen Einzylinder immer noch ihren Markt und ihre Freunde.

Nicht nur echte Oldies und moderne Klassiker kommen als Einzylinder daher. BMW hat einen modernen Einzylinder mit etwas über 300 cm³. Aber auch in der Halbliterklasse und drüber finden sie sich. Zum Beispiel in der DR 750 BIG von Suzuki aber auch in der KTM 690 Duke R und der Yamaha XT 660 Z Ténéré. Gerade auch Enduros haben oft solche Motoren. Lange Zeit der größte Einzylinder-Motorradmotor war übrigens eine auf 1000 cm³ aufgebohrte NSU OSL 600. Aber heute gibt’s schon längst noch größere Töpfe wie den 3-l-Einzylinder von Claus Mees.