Das Äon des Adlers
Schon letztes Jahr feierte Moto Guzzi einen runden Geburtstag: 100 Jahre waren es, die man in Mandello unter dem Zeichen des Adlers Motorräder gebaut hatte. Trotzdem sind die Donne vom Lago Di Como alles andere als Nonne. Leider wurde aus den geplanten Feierlichkeiten zum runden Geburtstag zunächst nicht viel, weil Corona einen Strich durch die Rechnung machte. Das Fest soll aber dieses Jahr im September nachgeholt werden. In jedem Fall aber ist der 100. Geburtstag auch ein Grund, einmal einen Blick auf die Geschichte der Firma zu werfen.
Ein etwas trauriger Beginn der Geschichte von Moto Guzzi
Im Ersten Weltkrieg waren drei Freunde zusammen bei der italienischen Luftwaffe: Carlo Guzzi, Giovanni Ravelli und Giorgio Parodi. Die drei begeisterten Motorradfahrer träumten davon, nach dem Krieg gemeinsam ein neues Motorrad zu bauen.
1920 konstruierte Carlo Guzzi den Prototyp für dieses Motorrad. Und so wurde am 15. März 1921 in einer Rechtsanwaltskanzlei die Firma gegründet, die den Namen von Carlo Guzzi trägt. Jedoch konnte Giovanni Ravelli nicht mehr dabei sein: Er war nämlich schon 1919 bei einem Testflug tödlich abgestürzt. Zur Erinnerung an ihn wählten die anderen den Adler mit den ausgebreiteten Schwingen als Firmenzeichen von Moto Guzzi. Außer Carlo Guzzi und Giorgio Parodi war noch dessen Vater, Emanuele Vittorio Parodi Gesellschafter des neuen Unternehmens. Er war ein schon damals bekannter Reeder aus Genua und wohl auch der Geldgeber.
Der Aufstieg des Adlers
Bescheiden begann die Produktion mit einem einzigen Modell, der Moto Guzzi Normale. Doch bereits 1925 bauen 300 Arbeiter 1200 Motorräder. Moto Guzzi macht sich einen Namen und von sich reden: 1928 fährt Giuseppe Guzzi, Carlos Bruder, mit einer GT 500 „Norge“ zum Polarkreis. Damit demonstrierte er die Überlegenheit und Zuverlässigkeit der von ihm kurz zuvor entwickelten neuartigen Hinterradfederung. Eine gewaltige Leistung, für die er bei seiner Rückkehr nach Mandello de Lario von der Bevölkerung und den Fans der Marke frenetisch bejubelt und gefeiert wird.
1929 erreicht die Jahresproduktion 2500 Stück und 1934 steigt Moto Guzzi zum größten Motorradhersteller Italiens auf. Auch auf den Rennstrecken macht die Marke von sich reden. Mit der Bicilindrica gewinnt Stanley Woods, ein irischer Rennfahrer, 1935 die Tourist Trophy. Lange vor den heute für Guzzi typischen V 2 war dies der erste V-Motor den Moto Guzzi baute. Allerdings war er nicht längs, sondern quer eingebaut, so wie man es heute von Ducati und Morini kennt.
1939 erscheint die Airone, das Motorrad, das einmal ein echter Verkaufsschlager werden sollte. Zunächst wurde daraus aber nichts, denn den ganzen Zweiten Weltkrieg lang durfte Moto Guzzi fast ausschließlich Fahrzeuge für das Militär produzieren.
Moto Guzzi erobert die Rennstrecken und macht die Italiener mobil
Nach dem Krieg startete das Unternehmen vom Lago Di Como so richtig durch. Zunächst eher bescheiden, beginnt die Mobilisierung der Italiener mit einem 65 cm³ Zweitakterchen, der Guzzino 65. Dann wird die Airone in großen Stückzahlen produziert und motorisiert die Italiener so richtig.
In den späten Vierzigern und frühen Fünfzigern feiert Moto Guzzi seine größten Rennerfolge. Mehrere Weltmeistertitel in verschiedenen Klassen holen die Fahrer für diese Marke. Doch 1957 zieht die Firma sich aus dem Rennsport zurück: Das Auto macht auch in Italien dem Motorrad als Verkehrsmittel den Garaus.
Der Adler stürzt und steigt wieder auf
Wie viele Motorradmarken auch bei uns, geraten auch die großen Namen aus Italien zunehmend unter Druck. Moto Guzzi macht da keine Ausnahme. 1955 war bereits Giorgio Parodi verstorben, der so das Elend nicht mehr mit ansehen musste. Vielleicht war es ja die Krise, die 1964 dann auch Carlo Guzzi ins Grab brachte.
Doch das war nicht das Ende. 1967 formierte sich das Unternehmen neu unter dem Namen SEIMM. Und nun treten auch die Guzzis wie wir sie kennen auf den Plan: Die V7 ist die erste Maschine aus Mandello mit dem längs eingebauten V2. Es gab sie mit 700 cm³, 750 cm³ und 850 cm³ Hubraum.
Neu und Alt gemeinsam
Die Bauweise wie wir sie heute kennen, ist also nicht die Ur-Guzzi-Bauweise, das ist der liegende Einzylinder. Sie war auch nicht neu, denn es gab sie zum vorher bereits zum Beispiel bei der Victoria Bergmeister.
Die Falcone, Erfolgsmodell aus den alten Tagen, erlebt eine Neuauflage als Nuovo Falcone. Damit hat Guzzi auch immer noch ein Modell in der alten Bauweise im Portfolio. Allerdings erfreute sie sich keiner besonderen Beliebtheit und verschwand nach ein paar Jahren wieder.
Der längs eingebaute V2 mit Kardanwelle geht auf einen Automotor zurück, welcher in der Notzeit für Fiat entwickelt worden war. Er passte dann offenbar auch zu einer Ausschreibung eines Behördenmotorrads, die der italienische Staat Mitte der sechziger Jahre tätigte. Und so entstand die für uns heute als für Moto Guzzi typisch angesehene charakteristische Bauweise.
In den 1970er Jahren kannten wir unterschiedliche Varianten der großen Zweizylinder: sportliche Modelle wie die Le Mans und eine Tourenmaschine namens California. Daneben gab es noch die Nuovo Falcone, den liegenden Einzylinder. Doch fristete dieses Motorrad eine Art Schattendasein bis es 1976 verschwand.
Moto Guzzi heute
Tolle Technik, zuverlässige Motorräder aber immer wieder wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Jahr 2000 kam Moto Guzzi zu Aprilia und 2004 kam dann Aprilia mitsamt Moto Guzzi und Laverda zum Piaggio-Konzern. Unter dessen Dach sind heute mehrere große italienische Marken vereint.
Moto Guzzi produziert aber immer noch in Mandello am Lago Di Como. Nix Thailand. Nix China. Zum 100. Geburtstag schenkten die Nachfolger von Carlo Guzzi der Motorradwelt die erste Guzzi mit Wasserkühlung. Oben liegende Nockenwellen gibt es dort ja schon länger.
Skeptisch beäugt, zunächst, ob denn eine wassergekühlte Moto Guzzi gerade vor den Augen der Guzzisti finden würde, schwang sich das Adlerweib von Mandello aus dem Stand auf einen dritten Platz bei der Leserwahl zum Motorrad des Jahres. Ist das nicht ein guter Beginn der zweiten 100 Jahre von Moto Guzzi?
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