Wer schrauben kann, hat mehr vom (Biker-)Leben

Mit Motorrädern ist es ähnlich wie mit Autos: Auf den ersten Blick ein teurer Spaß. Bei näherem Hinsehen stellt man aber fest, dass man deutlich billiger weg kommt, wenn man mit etwas angejahrtem Material zufrieden ist. Vor allem, wenn man bei Wartung und Reparaturen selbst Hand anlegen kann, können ältere Motorräder viel Spaß machen.

Gerade sah ich mir ein YouTube-Video an, in es wieder einmal hieß, wie schweineteuer eigentlich das Motorradfahren sei. Ehrlich gesagt, ich sehe das ein wenig anders.

Ältere Motorräder: Honda CBR 1000 F
Viel Power für kleines Geld: Etwas angejahrte 1000er CBRs von Honda kriegt man oft bereits für 1000 € (Bild: Mr.choppers/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Abzocke ist heute allgegenwärtig. Aber man kann ihr aus dem Weg gehen, wenn man sich überlegt, was man tut. Ältere Motorräder sind ein Beispiel dafür, dass Dinge, die neu teuer sind, gebraucht erstaunlich günstig zu haben sind. Einen älteren Riesenfernseher, der neu mal fast unbezahlbar war, kriegt man hinterher geworfen. Bloß, weil er ein paar Jahre alt ist.

Ältere Motorräder gibt es genug

Bei Autos und Motorrädern ist das nicht ganz so krass. Aber auch hier kann man günstig wegkommen, wenn man sich nach etwas Gebrauchtem umsieht. Autos sind im Moment ein schlechtes Beispiel, weil die coronabedingten Lieferengpässe bei Neuwagen auf den Gebrauchtmarkt durchgeschlagen haben. Das wird sich aber hoffentlich auch wieder normalisieren. Bei Motorrädern ist aber im Grunde alles beim Alten: Ich habe gerade eben mal im Netz nach Motorrädern bis 2000 € gesucht und allerhand gefunden.

Ältere Motorräder: Moto Guzzi California II
Ältere Motorräder sind oft schönere Motorräder: Eine Moto Guzzi California II kann man bereits für unter 3000 Euro ergattern. (Bild: User:Elkawe/Lizenz: PD)

Der Knackpunkt liegt darin, dass viele Dinge schneller an Marktwert verlieren als an Gebrauchswert. Manche Sachen kriegt man gebraucht nur deswegen schlecht, weil sie so schnell an Marktwert verlieren, dass die Leute sie lieber gleich wegschmeißen, als sich die Mühe zu machen, sie gebraucht zu verkaufen. Fahrzeuge bringen aber meist doch noch wenigstens ein paar Hundert Euro, so dass der Verkaufserlös besser als nichts ist.

Gebrauchswert in der Regel größer als der Marktwert

Solche Sachen, die nicht mehr geliebt werden, weil sie nicht mehr neu sind, sind in der Regel noch voll gebrauchstüchtig. Je nachdem, wie alt sie sind, sind sie halt auch nicht mehr auf dem neuesten technischen Stand. Im Bezug aufs Motorrad bedeutet das, dass ich zum Beispiel kaum erwarten kann, dass ein Motorrad für 1000 € bereits ein Kurven-ABS hat.

YSS-Federbeine
Ok, nicht gaaanz billig: Ein paar neue Hinterbeinchen für Elfie (Bild: Autor)

Andererseits: Diese Dinge, Fahrerassistenzsysteme und dergleichen, sind natürlich eine feine Sache wenn man sie hat. Aber halt teuer, weil sie nur an verhältnismäßig neuen Motorrädern vorhanden sind. Und auch, weil sie irgendwann mal kaputt gehen können und man sie dann teuer reparieren oder gar ersetzen muss.

Je weniger Digitalelektronik an einem Fahrzeug dran ist, umso leichter kann man es selbst reparieren. („Wir fahrn nich mit Computer in das Digital…“) Ganz ohne Elektronik kommen auch ältere Motorräder nicht aus. Es sei denn, sie sind regelrechte Oldtimer. Meine Elfie zum Beispiel ist schon 29 Jahre alt, also fast ein Oldtimer. Sie besitzt aber bereits eine elektronische Zündung. Wenn die mal kaputt geht, kostet das natürlich schon was. Aber das ist auch das einzige derartige Teil. Die anderen teuren Teile sind solche, die schon immer da waren: Kurbelwelle, Kolben, Getriebeteile… Und auch schon immer teuer waren.

Der Schraubenschlüssel im Haus erspart den Finanzkauf

Langsam bekomme ich den Eindruck, dass neue Autos nur noch geleast werden. In einer ländlichen Kneipenrunde nach einer Jagd ging mal das Gespräch darum, was die Leute am Tisch jeden Monat für ihre Autos bezahlten. Ich konnte mir eine kleine Gemeinheit nicht verkneifen und meinte ganz erstaunt: „Wieso müsst ihr für eure Autos jeden Monat bezahlen? Ich hab für meins nur einmal bezahlen müssen…“ Natürlich sagte niemand darauf etwas, es wurde nur komisch geguckt.

Ältere Motorräder: Motorrad-Hebebühne
Zugegeben: Ein paar Schraubenschlüssel allein tun’s noch nicht wirklich. Eine Hebebühne macht das Schrauben deutlich angenehmer. (Bild: Autor)

Vermutlich ist es bei Motorrädern genauso. So wenig wie ein Auto würde ich mir aber ein Motorrad auf Pump kaufen. Dann schon lieber was gebrauchtes. Eine Occasion, wie es der Schweizer nennt. O. k., ältere Motorräder gehen vielleicht etwas öfter kaputt als neue. Wenn man dann jede Reparatur bezahlen muss, kann das auch ins Geld laufen. Das ist ja oft das Argument für einen Neukauf von Auto oder Motorrad.

Nun haben ältere Motorräder aber den Vorteil, dass man sie mit handelsüblichen Werkzeug und verhältnismäßig preisgünstigen Ersatzteilen selbst reparieren kann. Wenn man denn kann. Man kann aber können, wenn man den Mut hat zu wollen. Oder: Alles lässt sich erlernen.

Motorrad schrauben
Wie sagte schon Folquero el Viragisdor: „Ein Motorrad, an dem man nicht schraubt, ist wie ein Frau, mit der man nicht schläft…“ (Bild: Autor)

Wenn du ein blutiger Laie bist, kannst du mit einem Schrauberkurs einsteigen. Wenn du erst einmal weißt, wie man einen Schraubenschlüssel in die Hand nimmt, ist schon viel gewonnen. Selbst ein Anfängerkurs, bei dem du erst mal nur einfache Wartungsarbeiten vornimmst, bringt dir ein erstes Rüstzeug. Schwierigere Arbeiten kommen dann nach und nach ganz von selbst dazu.

Wenn ich es mir recht überlege, gehört für mich das Schrauben ganz einfach dazu zum Motorradfahren. Es ist so eine Art Ehrensache, dass ich mein Bike selber repariere. Ein Motorrad, an dem man nicht schraubt, ist wie ein Frau, mit der man nicht schläft.

Ältere Motorräder sind bezahlbar

Wie gesagt, scheint es ja heute üblich zu sein, neue Kraftfahrzeuge zu leasen. Bei dem was Autos und gescheite Motorräder heute kosten ist das ja auch kein Wunder. Es ist aber nicht mein Ding, mit etwas – sei es Schlitten oder Schüssel – herum zu fahren, das mir nicht gehört. „Alt, aber bezahlt“ steht auf einem witzigen Aufkleber, den ich mir auch noch besorgen muss.

Ältere Motorräder: BMW R 75/5
Nun, für ganz kleines Geld gibt es dieses Schätzchen nicht. Aber noch deutlich im vierstelligen Bereich liegt der Marktpreis einer solchen Lady. Und man bekommt nicht irgendein Motorrad, sondern einen echten Oldtimer aus dem Hause BMW. (Bild: Cjp24/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 4.0 International)

Gebrauchte Fahrzeuge sind halt bezahlbar. Gerade Motorräder. Heute gibt es sehr viel schönes altes Eisen für kleines Geld. Meine Elfie war zwar ein absoluter Glücksfall, aber so ab knapp 3000 € bekommt man eine XV 1100 Virago auch ohne dass der Vorbesitzer sie in treue Hände fast verschenkt. Aus irgendwelchen Gründen sind 1100 Viragos aber verhältnismäßig teuer. Bei einer Honda CBR 1000 ist man oft mit deutlich weniger als 2000 € dabei. Und selbst unter 1000 € findet sich so einiges. Vor allem auch, wenn es nicht gleich eine Tausender sein muss. Wenn’s doch was dickeres und mit klangvollem Namen sein soll: 1100er Moto Guzzi Californias gehen so bei 4000 € los.

Motorräder werden in der Regel geliebt. Zumindest gefühlt gibt es weit weniger heruntergekommene Guffeln als Gummirutschen. Und weil nichts durchrosten kann, ist auch ein gleich nach dem Kauf erforderlicher Besuch beim Dampfkesselüberwachungsverein kein Vabanquespiel wie bei so manchem Auto. Die Plakette, welche die gute alte, aber immer noch zerlegte CB 250 G von 1976 in meiner Werkstatt ganz zum Schluss natürlich brauchen wird, ist meine kleinste Sorge in dieser Hinsicht.