Wie Motorradbremsen arbeiten und wie man sie benutzt

Wenn man es so richtig betrachtet, sind die Bremsen am Motorrad das wichtigste. Wenn der Motor nicht funzt, dann ist das zwar bitter: Die Spritztour muss erst mal unterbleiben und schrauben ist angesagt. Setzt jedoch ein funktionierender Motor die Guffel in Bewegung und die Bremsen funktionieren nicht, kann das sehr schnell tödlich enden.

Hinsichtlich der Bremsen am Motorrad gibt es vor allen Dingen zwei wichtige Punkte: Zum einen muss man sie in Ordnung halten. Und zum anderen muss man wissen, wie man damit umzugehen hat.

Bremsen am Motorrad im Wandel der Zeit

Seitdem der Mensch Dinge baut, die fahren, braucht er auch Bremsen. Bei Pferdewagen waren das zunächst einfache Klötze, die mithilfe eines Hebels oder später auch einer Spindel gegen die Räder gedrückt worden. Die ersten Autos und frühen Motorräder besaßen Bandbremsen. Dabei liegt ein Riemen, ähnlich wie bei einem Riementrieb, auf einer Art Riemenscheibe. Auf der einen Seite ist der Riemen fest, auf der anderen kann man daran ziehen. Tut man das, wird die Scheibe und damit das Rad, mit dem sie in Verbindung steht, abgebremst.

So funktioniert eine Bandbremse

Außerdem gab es Gestängebremsen, bei denen ein Bremsklotz mithilfe des Gestänges gegen den Reifen gedrückt wurde. Solche Bremsen gab es unter dem Namen „Stempelbremse“ noch lange Zeit bei Fahrrädern.

Trommel- und Scheibenbremsen

In den zwanziger Jahren kamen dann Trommelbremsen auf und wurden zum Standard bei Motorrädern. Zunächst sah man die Halbnabenbremsen, die so gegen 1960 von den Vollnabenbremsen verdrängt wurden. Dann kamen aber auch schon bald die Scheibenbremsen auf, die heute – zumindest am Vorderrad, typischerweise aber auch hinten – Standard sind.

Die Scheibenbremse hat den großen Vorteil, dass sie weniger zum sogenannten Fading neigt. Bei überhitzten Bremsbelägen sinkt der Reibwert zwischen Bremsbelag und Trommel bzw. Scheibe. Da Scheibenbremsen die Wärme besser ableiten als Trommelbremsen, erreichen sie weniger leicht die kritische Temperatur, bei der das Fading auftritt.

Die Hildebrandt und Wolfmüller von 1894 hat am Vorderrad eine Stemplebremse wie man sie von Uromas Fahrrad kennt (Bild: Joachim Köhler/Lizenz: „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)

Bei der Scheibenbremse wird eine Bremsscheibe von zwei Bremsklötzen eingeklemmt. Diese Bremsklötzen werden in der Regel hydraulisch gegen die Bremsscheibe gedrückt. Das ganze ähnelt also in der Funktionsweise der Felgenbremse am Fahrrad. Nur, dass die Felgenbremse einen deutlich größeren Hebelarm hat als die Scheibenbremse und bei dieser daher die Andruckkraft größer sein muss. Das mag zumindest mit ein Grund sein, warum Scheibenbremsen – sogar bei Fahrrädern – hydraulisch betätigt werden.

Bremsen am Motorrad in der Praxis

Für meinen alten Herren, in seinen Tagen Kradmelder bei des GröFaz‘ Wehrmacht, war die Vorderradbremse am Motorrad des Teufels. Ob das früher tatsächlich so war, habe ich nie richtig herausgefunden. Es ist schon richtig, dass bei einem Fahrrad die Hauptbremse zumindest früher die Hinterradbremse war, nämlich der Rücktritt, der eine erhebliche Verzögerung ermöglicht.

Bremsen am Motorrad: Vollnaben-Trommelbremse Hercules Mofa
Vollnaben-Trommelbremse an einem Hercules Mofa: Solche Bremsen waren auch bei Motorrädern zu finden, bis sie… (Bild: Autor)

Bei Mofa und Moped bremste ich auch, der Gewohnheit vom Fahrradfahren und meines alten Herren Ratschlägen folgend, vorwiegend mit der Hinterradbremse. Auch bei den schon eher motorradähnlichen Mokicks, die später besaß, hielt ich es so. (Zumindest scheinbar) bestätigt wurde mir des Vaters Reden bei einem üblen Sturz mit meiner Herkules: Weil sich die Bremsmomentstütze der Vorderradbremse gelöst hatte, blockierte das Vorderrad und ich stieg bildschön über den Lenker ab und machte eine satte Bauchlandung auf dem Asphalt. Was ich außerdem beim Fahrrad beobachtet hatte, war, dass man mit der Vorderbremse das Vorderrad blockieren lassen konnte, sodass es seitlich weg ging.

Bremsen am Motorrad: Honda CB 250
… wie bei dieser Honda CB 250 aus den 70ern durch Scheibenbremsen ersetzt wurden. (Bild: Autor)

So war ich dann auch bass erstaunt, als ich in der Fahrschule zum Motorradführerschein dann lernte, dass beim Motorrad, genau wie beim Auto, die Vorderradbremse die Hauptbetriebsbremse sei: „Vorne richtig hinlangen, hinten etwas mitbremsen!“ lautete die Instruktion des Fahrlehrers.

Die richtige Bremskraftverteilung bei den Bremsen am Motorrad

Diese Instruktion war nun nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Nach Art meines alten Herrn („Hinten bremsen, vorne allenfalls etwas mitbremsen“) zu bremsen mag für die alten Guffeln aus dem Zweiten Weltkrieg und vorher richtig gewesen sein, für moderne Motorräder ist das definitiv falsch.

Wie setzt man aber nun die Bremsen am Motorrad nun aber richtig ein, sodass man schnell und sicher bremst? Um das zu verstehen, muss man sich klarmachen, was beim Bremsen mit der Gewichtsverteilung passiert. Hilfreich ist dabei auch ein Seitenblick darauf, wie das Bremsen beim Auto funktioniert.

Bremsen am Motorrad: Trommelbremse hinten Yamaha XV 1100 Virago
Am Hinterrad hat Elfie noch eine altväterliche Trommelbremse, dafür… (Foto: Autor)

Wenn man ein Kraftfahrzeug – sei es ein Auto oder ein Motorrad – abbremst, will es nach vorne kippen. Man merkt das daran, dass es vorne einfedert und gleichzeitig den Popo hoch hebt. Das bedeutet nun aber, dass die Vorderräder stärker und die Hinterräder weniger stark auf den Untergrund gedrückt werden. Und daher hat man, je stärker die Verzögerung ist, umso mehr Grip an den Vorderrädern bzw. dem Vorderrad und hinten entsprechend weniger.

Die 70-30er Regel – was ist dran?

Man hört nun manchmal die Regel „vorne 70 %, hinten 30 %“ oder auch „vorne 60 %, hinten 40 %“. Das ist ebenfalls jeweils weder ganz richtig, noch ganz falsch. Schauen wir uns an, wie das beim Auto funktioniert: Dieses besitzt an der Hinterachse einen sogenannten Bremskraftregler. Der merkt mithilfe eines Gestänges, wenn sich das Auto beim Bremsen hinten hoch hebt, also das Gewicht sich nach vorne verlagert. Und in diesem Maße, nimmt er Bremsdruck von den Hinterrädern weg und gibt ihn vorne zu.

Auf gut Deutsch: Je stärker man bremst, umso stärker muss man vorne und umso weniger hinten bremsen. Weil man vorne mehr und hinten weniger Grip bekommt. Beim Auto macht das der Bremskraftverteiler, beim Motorrad muss man es selbst machen, es sei denn, man hat ein Integralbremssystem, was es heute auch schon gibt. Zahlen sin da allenfalls ein Anhaltspunkt, man muss es ins Gefühl bekommen. Übrigens bremst man auch bei modernen Fahrrädern im Prinzip so wie beim Motorrad wie ich gerade im Netz herausgefunden habe.

Langsam fahren und anhalten

Wenn man sehr langsam fährt, bremst man nur noch mit der Hinterradbremse. Und vollends zum Stehen bringt man ein Motorrad immer mit der Hinterradbremse allein. Dann wirft man es nämlich viel weniger leicht um, als wenn man es mit der Vorderradbremse komplett anhält.

Doppelte Scheibenbremse vorn Yamaha XV 1100 Virago
… gibt es vorne sogar zwei Scheibenbremsen, die … (Foto: Autor)

Auch beim Langsamfahren ist die Hinterradbremse hilfreich: Dann lässt man nämlich das Gas stehen und reguliert die Geschwindigkeit damit. Das ist hilfreich, wenn man zum Beispiel beim Stop an Go („zähfließender Verkehr mit Stillstand“) langsam auf das Fahrzeug vor einem aufrückt.

Ebenfalls in engen Kurven, die man sehr langsam fahren muss, ist diese Technik Gold wert. Man kann sie einsetzen, wenn man Haarnadelkurven fahren muss, aber auch beim Wenden und beim Ein- und Ausfahren an Garageneinfahrten und dergleichen. Üben kann man das zum Beispiel mit dem altbekannten und beliebten „Achterlesfahren“ auf einem leeren Parkplatz etwa.

In der Fahrschule lernt man heute, so wie ich gehört habe, angeblich, dass man beim Anhalten mit dem Motorrad immer beide Füße auf den Boden stellt. Das halte ich für Quatsch. Ich mache das nur, wenn ich länger stehen bleiben muss, an einer Ampel etwa, die ewig nicht grün werden will. Theoretisch ist das schon richtig. Wenn man beide Beine auf den Boden stellt, kann man das Motorrad genau senkrecht halten und muss dafür fast keine Kraft aufwenden.

Am Berg anfahren mit den Bremsen am Motorrad

Trotzdem stelle ich beim Anhalten nur den linken Fuß auf den Boden und lasse den Rechten auf der Fußbremse. Damit verhindere ich auch, dass wenn ich an einer Steigung halte, das Motorrad zurückrollt. Geht es dann weiter, kann man analog zum berühmten „Anfahren am Berg“ mit dem Auto vorgehen: Man lässt die Fußbremse zunächst noch angezogen, kuppelt langsam ein und gibt Gas. Ist dann genug Zug auf der Guffel, dass sie gegen die Steigung los fährt, löst man die Fußbremse, so wie man es beim Auto auch mit der Handbremse macht.

Bremsen am Motorrad: Handbremshebel Yamaha XV 100 Virago
… natürlich hydraulisch betätigt werden (Bild: Autor)

Falls ich länger stehen muss, stelle ich, wie gesagt, aber auch beide Füße auf den Boden. Wenn man nämlich nur den linken runter tut, muss man die Mühle ein klein wenig schräg halten, damit sie nicht nach rechts kippt. Und das strengt mit der Zeit an.

Wenn ich an einer Steigung in dieser Situation bin, halte ich das Bike dann mit der Handbremse. Man muss dann halt rechtzeitig – für sowas gibt es die Gelbphase der Ampel – den rechten Fuß auf die Fußrasten stellen und die Fußbremse betätigen. Dann kann man die Handbremse loslassen und hat damit die rechte Hand frei für den Gasgriff.

Natürlich muss man, falls man beim Warten die Leerlauf eingelegt hat, als erstes mit dem linken Fuß den Gang einlegen. Wenn der wieder unten ist, kann man den rechten auf die Fußraste setzen. Wenn man zügig wegkommen will, ist es aber auch ok, wenn man beim Warten den ersten Gang drin und die Kupplung gezogen hat. Dann kommt man bei Gelb nicht in Hektik…