Die Geschichte des Motorrads III

Dies ist der dritte Teil einer mehrteiligen Geschichte, zum ersten Teil geht es hier.

Mit Hildebrand und Wolfmüller waren wir im vorigen Teil beim ersten „richtigen“ Motorrad der Welt angelangt, das auch in Serie gebaut und käuflich zu erwerben war. Das war nun der eigentliche Startschuss für die Entwicklung des Motorrads zum Verkehrsmittel und Spaßgerät für praktisch jedermann. Hildebrand und Wolfmüller blieb ja nicht lange der einzige Hersteller von Motorrädern.

Das Motorrad von Hildebrand und Wolfmüller war eine ziemlich ungeschickte Konstruktion und daher schwer zu handhaben. Doch blieb diese Maschine nicht lange die einzige auf dem Markt. In Frankreich stellten die Gebrüder Werner ein Motorrad – eigentlich eher ein Fahrrad mit Hilfsmotor – her, dessen Motor über dem Vorderrad saß. Dieses wurde auch angetrieben und zwar über einen Riementrieb.

Auch mit Dampfantrieb

Bereits vor den Motorrädern mit Verbrennungsmotor gab es das eine oder andere Zweirad mit Dampfmaschine. Auch bei Autos fand man den Dampfantrieb. Elektroautos wurden ebenfalls gebaut. Der Verbrennungsmotor verdrängte aber beide, sobald alltagstaugliche elektrische Anlasser verfügbar waren.

Vierzlinder-Reihenmotor, FN, Fabrique Nationale
Eines der frühen käuflichen Motorräder, eine FN mit Vierzylinder-Reihenmotor von 1905 (Bild:Kjenshaugmyra/Lizenz: CC SA 4.0 International)

Bei vielen Leuten waren Autos mit Verbrennungsmotor aufgrund des schweren und gefährlichen Ankurbelns unbeliebt. Motorräder wurden jedoch durch Anschieben oder etwas später auch mit Kickstarter gestartet. Daher verschwand das Dampfrad schon bald nach dem Aufkommen von Motorrädern mit Verbrennungsmotor.

Die Frühzeit

So ab 1900 ging es dann richtig los mit den Motorrädern. Meilensteine in der Entwicklung, die das Motorrad funktionstüchtiger machten, waren der Spritzdüsenvergaser und die Magnetzündung. Wie das Auto auch, war das Motorrad am Anfang noch kein alltagstüchtiges Verkehrsmittel, sondern ein technisches Spielzeug oder Sportgerät für Enthusiasten. Diese Leute, wohl auch öfter belächelt, ermöglichten es aber, Auto und Motorrad bis zur Alltagstauglichkeit weiterzuentwickeln. Hätten die frühen Kraftfahrzeuge keine Käufer gefunden, hätte es ja keinen Grund gegeben, sie weiter herzustellen und auch weiterzuentwickeln.

BSA Model K Motorrad
Eine BSA Model K mit 557 ccm von 1915 (Bild: Yesterdays Antique Motorcycles /Lizenz: CC 4.0 International)

Bereits in der Frühzeit wuchs die Anzahl der Hersteller von Motorrädern. Viele Marken gab es, die heute allenfalls noch echten Oldtimer-Freaks bekannt sind. Zum Teil waren es Fahrradhersteller, die mit ihrem Know-how im Rahmenbau in das neue Marktsegment einstiegen wie etwa BSA oder Triumph. Die letztere Firma, von einem deutschen Juden aus Nürnberg in England gegründet, verkaufte zunächst Fahrräder und Nähmaschinen, die er aber nicht selbst baute. Als er einen Ingenieur als Geschäftspartner aufgenommen hatte, überzeugte ihn dieser, Fahrräder auch selbst zu bauen. Dieses Geschäft entwickelte sich weiter; zu den Fahrrädern kamen Motorräder, zunächst mit zugekauftem Einbaumotor, dann auch mit selbst gebauten Motoren. BSA, ein aus einer Art Büchsenmachergilde entstandener Waffenhersteller, baute seinerzeit auch Fahrräder und kam über diesen Geschäftszweig zur Motorradherstellung.

Motorradfabriken entstanden in Deutschland, dem klassischen Motorradland England und auch in Frankreich, das ja – vielleicht weniger bekannt – bereits vor Deutschland ein bedeutendes Industrieland war. Die klangvollen Namen aus Italien sind größtenteils deutlich jünger als die anderen großen Marken. Immerhin entstand aber Garelli bereits 1919. In den USA waren Harley-Davidson und Indian bereits früh am Start. Indian war eine Zeit lang sogar der größte Motorradhersteller der Welt.

Das Motorrad im ersten Weltkrieg

In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gab es recht unterschiedliche, teilweise kuriose Konstruktionen von Motorrädern. Es wurden aber auch Neuerungen eingeführt, welche die Motorradtechnik wirklich weiter brachten. So etwa der Kickstarter, der von Indian erfundene Gasdrehgriff und die bereits erwähnte Magnetzündung. Auch der von Wilhelm Maybach erfundene Spritzdüsenvergaser half mit, dass Verbrennungsmotoren besser und zuverlässiger liefen.

Kradmelderin WkI Wk 1 Erster Weltkrieg
Ein Kradmelderin der Royal Airforce im Ersten Weltkrieg (Bild: Historisch)

Wenn der Bedienungskomfort seinerzeit natürlich noch weit von dem entfernt war, was wir heute kennen, waren Auto und Motorrad bis zum Ersten Weltkrieg bereits recht alltagstauglich. Beide konnte man als vollwertige Verkehrsmittel einsetzen, natürlich auch zu militärischen Zwecken. In den USA waren die beiden großen dortigen Motorradmarken, Indian und Harley-Davidson, natürlich die Hauptlieferanten der Army. In Deutschland waren es Wanderer und NSU, welche gute Geschäfte mit dem kaiserlichen Militär machten.

Ein wichtiges Einsatzgebiet des Motorrads beim Militär war das Meldewesen. Kradmelder gibt es auch heute noch, zum Beispiel bei der Bundeswehr. Im Ersten Weltkrieg wurden Motorräder mit Seitenwagen auch zum Transport von Verwundeten eingesetzt.

Zwischen den Weltkriegen

In den zwanziger und dreißiger Jahren machte die Motorradtechnik gewaltige Fortschritte. Bis zum Zweiten Weltkrieg wiesen die Maschinen bereits alle wichtigen Merkmale auf, die ein modernes Motorrad kennzeichnen. Bikes von Herstellern, die eigene Motoren bauten, kannte man oft an der typischen Bauweise ihres Motors. Es entstanden auch viele kleine Hersteller, die teilweise heute selbst Fachleuten kaum mehr bekannt sind. Diese verbauten typischerweise zugekaufte Einbaumotoren von Herstellern wie Columbus, J.A.P, ILO oder Fichtel & Sachs.

Triumph Speed Twin Geschichte des Motorrades
(Erst) 1937 führte Triumph mit der Speed Twin den Parallel-Twin in den englischen Motorradbau ein, der uns heute so Very British erscheint. (Bild: Yesterdays Antique Motorcycles/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 4.0 International)

Zwischen den Kriegen tauchten auch einige heute noch namhafte Motorradmarken auf oder wurden bekannt. BMW und Moto Guzzi, Zündapp und Horex, Harley-Davidson und Indian, BSA und Matchless… Manche Firmen wurden ganz neu gegründet, andere wieder hatten vorher bereits existiert und begannen nun, Motorräder zu bauen.

Motorradrennen wurden zu beliebten Veranstaltungen und manche Namen aus dieser Zeit kennen Fans noch heute: den gusseisernen Schorsch Meier etwa oder den schnellen Henne oder auch Bernd Rosemeyer, der leider 1938 tödlich verunglückte. Zwar konnte sich nicht wirklich jeder ein Motorrad leisten aber es war immerhin erschwinglicher als ein Auto.

Meilensteine der Motorrad-Technik

Nach dem Ersten Weltkrieg gab es noch Motorräder, deren Einlassventile als Schnüffelventile ausgeführt waren. Nur die Auslassventile wurden von einer Nockenwelle gesteuert. Das ist das sogenannte De-Dion-Prinzip. Bald wurden jedoch die zwei stehenden, weil von einer unten liegenden Nockenwelle betätigten Ventile, zum Standard. Diese Technik ergibt jedoch eine ungünstige Brennraumform und erzwingt langhubige Motoren. Hängende Ventile, OHV genannt, die von einer unten liegenden Nockenwelle über Kipphebel und Stößelstangen betätigt werden, waren bereits ein Fortschritt, erlaubten auch einen kugeligen Brennraum.

Oben liegende Nockenwellen hingegen – OHC – gab es damals nur bei Rennmotoren, weil für Alltagsmaschinen noch zu aufwendig. Mit einer 500er Kompressor-BMW, die über von Königswellen angetriebene oben liegende Nockenwellen verfügte, stellte Ernst Jakob Henne 1937 mit 279,5 km/h einen Weltrekord auf, der erst 1951 von Wilhelm Herz auf einer NSU gebrochen wurde.

Motorrad 500er BSA 1931
Eine 500er BSA von 1931 (Bild:Marshelec/Lizenz: CC SA 4.0 International)

Die erste BMW mit hängenden Ventilen kam bereits 1929 auf den Markt. Harley-Davidson schaffte das erst 1936 mit dem Knucklehead-Motor, nach dem es dort allerdings Anfang der Zwanzigerjahre bereits einen solchen Motor für Rennzwecke gegeben hatte. Der Knucklehead war aber so unzuverlässig, dass die Firma sich nicht traute, diesen Motor an die US Army zu liefern; die bekam noch den ganzen Zweiten Weltkrieg lang Motorrädern mit dem steinzeitlichen Flathead-Motor. Dieser wiederum überlebte den Knucklehead sogar, denn der Flathead wurde erst durch den Panhead-Motor wirklich abgelöst. Indian gar verbaute diese Steinzeittechnik bis zum unrühmlichen Ende 1953.

Der Zweitaktmotor existierte schon länger. Es wurden auch schon Motorräder gebaut, deren Triebwerke nach diesem Prinzip funktionierten. Wirklich populär wurde das Zweitaktmotorrad aber erst, als DKW auf den Plan trat. Diese Firma hatte die Rechte an der Schnürle-Umkehrspülung, der damals effektivsten Technik des Gaswechsels in einem Zweitakter. Andere Hersteller mussten das Patent umgehen, was zu weniger effizienten Motoren führte.

Zwei legendäre alte Motorrad-Marken

BMW etwa begann nicht als Motorradfabrik, sondern hatte Anfang der zwanziger Jahre schon längst einen guten Ruf als Hersteller von Flugzeugmotoren. Durch das Versailler Diktat war es Deutschland aber verboten, Flugzeuge oder Flugzeugmotoren zu bauen. Die Bayerischen Motorenwerke entwickelten daher einen – für ihre Verhältnisse – kleinen Zweizylinder-Boxermotor, der längst eingebaut wurde und unter dem Namen Bayern Motor als Einbaumotor verkauft wurde. Das erste vollständige Motorrad von BMW, die R 32 kam 1923 heraus und ihr Antrieb folgte der Konzeption des Bayern Motors.

BMW Motorrad Geschichte Boxer R32
Werbeanzeige 1924 für die „Ur-BMW“ die R32, die 1923 herausgekommen war (Biled: Historisch)

Motorräder mit längs eingebautem zwei Zylinder-Boxermotor, der das Hinterrad über eine (Kardan-)Welle antreibt, werden bei BMW bis heute gebaut. Genau genommen konnte man bei den ersten BMWs noch nicht von einer Kardanwelle sprechen. Das Hinterrad war ja noch ungefedert und daher benötigte die Antriebswelle noch kein Kardangelenk. Eigentlich sollte der BMW-Boxer schon vor 40 Jahren sterben, nachdem man begann, auch andere Antriebskonzepte anzubieten. Seine Freunde ließen das aber nicht zu, denn sie kauften ihn fleißig weiter. Und auch heute noch gehören die Boxer-Modelle von BMW zu den beliebtesten Motorrädern.

Ganz anders entstand Moto Guzzi. Mitten im ersten Weltkrieg träumten drei motorradbegeisterte italienische Flieger davon, nach dem Kriege gemeinsam ein neues Motorrad zu bauen. Alle drei kamen auch aus dem Krieg zuück; einer von ihnen erlebte die Verwirklichung dieses Traumes aber doch nicht mehr: Giovanni Ravelli stürzte 1919 bei einem Testflug ab und starb. Der Adler im Guzzi-Firmenzeichen erinnert an ihn.

Moto Guzzi Liegedner Einzylinder Alberto Panella Motorrad
Der erfolgreiche und in seinen Tagen berühmte Motorradrennfahrer Alberto Panella fuhr unter anderem auch für Moto Guzzi: Hier mit einer 250er von 1931, die natürlich vom lange Zeit Guzzi-typischen liegenden Einzlinder angetrieben wird. (Bild: Historisch)

Die beiden anderen, Carlo Guzzi und Giorgio Parodi gründeten 1921 die Firma Moto Guzzi. Dritter im Bunde war jetzt der Vater von Parodi, ein bereits als Reeder etablierter Geschäftsmann und vermutlich auch der Geldgeber. Es begann mit einem einzigen Modell, das Carlo Guzzi bereits 1920 konstruiert hatte. Die Firma wuchs aber schnell. Giuseppe Guzzi, der Bruder von Carlo entwickelte eine Hinterradfederung für Motorräder und bewies deren Tauglichkeit mit einer Fahrt zum Polarkreis und wieder zurück. In Mandello, dem Firmensitz, wurde er bei seiner Rückkehr wie ein Held empfangen und gefeiert.

Wie es weiterging steht (demnächst) im vierten Teil dieser kleinen Artikelserie zu lesen.