Die Geschichte des Motorrads I
Das Motorrad in seiner modernen Form – also mit Kupplung und Schaltgetriebe – gibt es bereits gute 100 Jahre. Einfachere, etwas ungeschickt zu bedienende, Vorläufer noch länger und die Geschichte des Fahrrads reicht noch ein Stück weiter zurück. Und das Rad gibt es noch viel länger. Doch wie entwickelte sich das alles? Was waren die Meilensteine und wie kamen wir zu den eigentlich ausgereiften Motorrädern der Neunzigerjahre und schließlich zu den Rechenzentren auf zwei Rädern, die wir heute pilotieren?
Die Geschichte des Zweirads, also des einspurigen Fahrzeugs, reicht lange nicht so weit zurück wie die Geschichte des Rades und des zweispurigen Wagens. Es lässt sich vermuten, dass das Rad sogar älter ist, als die einfache untergelegte Rolle. Die funktioniert nämlich nur auf einem einigermaßen glatten und harten Boden, zum Beispiel einen Weg aus Steinplatten. Einen Karren oder Wagen mit Rädern kann man aber auch auf einem holprigen Untergrund bewegen. Tatsächlich gab es einfache Karren oder Wagen bereits in der Steinzeit bzw. spätestens in der Steinkupferzeit, als man von befestigten Straßen noch weit entfernt war.

Interessanterweise gab es aber auch Hochkulturen, die das Rad gar nicht kannten oder zwar kannten, es jedoch nur an Spielzeugen, nicht aber zum Transport schwerer Lasten benutzten. Die alten Ägypter kannten es zur Zeit des Pyramidenbaus auch noch nicht. Viele alte und noch mehr jüngere Kulturen nutzten das Rad jedoch fleißig. Vor allem an Fahrzeugen, aber auch als Maschinenelement, also als Zahnrad oder Riemenscheibe oder als Schwungrad. Auch die Töpferscheibe, eine wichtige kulturelle Errungenschaft, ist im Prinzip ein Rad.
Das einfache Rad
Die ersten Räder waren einfache Holzscheiben, die man möglichst rund machte und möglichst gut in der Mitte mit einer Bohrung versah. Diese Bohrung ergab zusammen mit dem Achszapfen, auf dem sie saß ein einfaches Gleitlager. Wenn man es genau betrachtet, wird hier das Prinzip des Hebels genutzt.
Bei einem Schlitten, dem Vorläufer des Wagens, muss man die Reibungskraft zwischen Kufen und Untergrund durch die Zug- oder Schubkraft überwinden. Das Rad stellt nun eine Art einseitigen Hebel dar. An seinem äußeren Umfang greift die Kraft an, die man bei einem Schlitten als Reibungskraft überwinden müsste. Das Rad dreht sich aber um einen Drehpunkt und macht dadurch aus der Kraft ein Drehmoment. Der Hebelarm entspricht dabei seinem Radius. Gegen dieses Drehmoment hält nun die Reibung zwischen der Bohrung des Rades und dem Achszapfen. Hier ist der Radius, der der Achse nämlich, aber sehr viel kleiner und damit auch der Hebelarm, mit dem die Reibung zwischen Bohrung und Achszapfen gegen die Drehung des Rades „gegenhalten“ kann. Außerdem ist hier auch der Reibkoeffizient – glattes Holz auf glattem Holz – kleiner und kann durch Schmierung noch verringert werden. Außer der Reibung im Lager muss zwar noch der Rollwiderstand des Rades auf dem Untergrund überwunden werden, jedoch ist dieser ungleich kleiner als der Gleitreibungswiderstand.

Mit der Zeit verfeinerte man das Rad mehr und mehr. Zunächst versah man es mit Ausnehmungen zur Gewichtsersparnis. Dann entwickelte man auch Speichenräder, die aus Einzelteilen zusammengesetzt wurden. Dadurch sparte man nicht nur Gewicht, sondern auch Material und konnte zudem bei der Konstruktion den Faserverlauf des Holzes entsprechend der Belastung in den einzelnen Teilen berücksichtigen.
Das angetriebene Rad
Für uns sind angetriebene Räder an Fahrzeugen so selbstverständlich, dass wir gar nicht darüber nachdenken, dass sie nicht selbstverständlich sind. Tatsächlich aber benötigte man zunächst keine angetriebenen Räder, denn viele Jahrhunderte lang wurden Wagen und Karren ja von Menschen oder Tieren geschoben oder gezogen.
Vielleicht kam der Gedanke des Antriebsrades den Menschen, als sie merkten, dass man die Zugtiere eines Wagens unterstützen kann, indem man die Räder an den Speichen anpackt und von Hand dreht. Oder sie übertrugen das Prinzip einer Riemenscheibe oder eines Zahnrades auf die Fortbewegung eines Wagens. Spätestens mit der Lokomotive und den ersten „richtigen“ Fahrrädern ging es dann tatsächlich nicht mehr ohne Antriebsräder.

Tatsächlich ist das angetriebene Rad aber viel älter. Es findet sich nämlich schon bei einer antiken Belagerungsmaschine, der Helepole. Wenn diese Dinger auch aussehen, als hätte sie ein Fantasy-Autor als zwergische Kriegstechnik erdacht, haben sie wirklich existiert. So eine Helepole ist ein hölzerner Turm, der sich auf Rädern bewegt. Er besitzt mehrere Achsen, von denen eine angetrieben wird, damit das ganze Ding vorankommt. Die Antriebsleistung kommt von Menschen, die im Inneren des Turms ein großes Gangspill – so wie bei den Ankerwinden von alten Segelschiffen – drehen. Diese Dinger konnten gewaltige Ausmaße haben und auf mehreren Stockwerken eine ganze Anzahl von Ballisten tragen.
Auch im Mittelalter und noch später gab es mit Muskelkraft betriebene Wägelchen. Fürsten besaßen manchmal solche Geräte, die von Dienern bewegt wurden und mit denen sie in ihren Gärten spazieren fahren konnten. Auch handbetriebene Rollstühle für gehbehinderte Menschen gab es schon recht früh. Der Antrieb eines Fahrzeugs über ein Antriebsrad oder Antriebsräder existierte also in der Tat schon lange, bevor es Fahrräder und Lokomotiven gab.
Das Zweirad, das nicht umfällt
Das erste geschichtlich sicher verbürgte einspurige Zweirad ist die Laufmaschine des Freiherrn von Drais, die man auch Draisine nennt. Es wird behauptet, dass es so etwas hier und da schon früher gegeben hätte, was jedoch nicht bewiesen werden kann. Auch das angeblich von Leonardo da Vinci gezeichnete Fahrrad hat sich als Fälschung erwiesen.
Pro forma war Drais Forstbeamter. Vom normalen Forstdienst war er jedoch freigestellt, um als Erfinder tätig sein zu können. Neben seiner Laufmaschine erfand er noch einige andere Dinge, die aber nicht so bekannt geworden sind wie diese. Er hatte auch bereits einen mit Muskelkraft betriebenen Wagen gebaut, der sich aber nicht durchsetzen konnte.

Die Laufmaschine oder Draisine könnte sogar einen gewissen Bezug zum Forstdienst gehabt haben. Damals waren Förster noch oft zu Pferde unterwegs. Drais hatte sich die die Laufmaschine als Alternative zum Reitpferd gedacht. Mit dem kleinen Nachteil, dass man selbst Kraft aufwenden musste, war die Laufmaschine natürlich in der Tat kostengünstiger und pflegeleichter als ein Pferd.
Auf die Idee eines einspurigen Fahrzeuges, so meinte Drais, hätte ihn der Schlittschuh gebracht. Vermutlich war ihm vorab noch nicht einmal bewusst, dass die Lenkung, die er vorsah, bewirken würde, dass sein Fahrzeug nicht umfiel, wenn es in Bewegung war. Denkbar, dass er das lenkbare Vorderrad nur der besseren Kurvengängigkeit halber vorsah. Sicherlich wird er beim Ausprobieren seiner Erfindung aber sehr schnell herausgefunden haben, dass sich sein Zweirad von selbst aufrecht halten konnte.

Aber auch sonst funktionierte die Laufmaschine sehr gut. Der Herr Drais war damit nicht nur flotter unterwegs als zu Fuß, sondern soll auch etwa viermal so schnell wie eine Postkutsche gewesen sein. Das Anschubsen mit den Beinen war wohl etwas unbequem, aber insgesamt muss dieses Gerät wohl recht alltagstauglich gewesen sein.
Das Zweirad mit angetriebenem Rad
Nun kam aber auch jemand auf die Idee, das Zweirad mit einem Antriebsrad zu versehen. Das einfachste waren Tretkurbeln am Vorderrad, wie man sie heute noch bei Kinderdreirädern findet. Wie man leicht sehen kann, lassen sich mit einem Kinderdreirad nur geringe Geschwindigkeiten erreichen. Die Drehzahl des angetriebenen Rades wird hier durch die Geschwindigkeit begrenzt, mit der man strampeln kann. Die einzige Möglichkeit, die Geschwindigkeit zu erhöhen, besteht wie bei einer Dampflok darin, den Durchmesser des Treibrades zu vergrößern. So entstanden die Hochräder, mit dem riesigen Vorderrad und dem deutlich kleineren Hinterrad.

Ein Hochrad war jedoch eine nicht ganz ungefährliche Sache. Zum einen muss das Aufsteigen deutlich schwieriger gewesen sein als bei einem heutigen Fahrrad. Außerdem hat es einen sehr hohen Schwerpunkt und fällt daher auch sehr leicht um.
Die ersten Fahrräder mit zwei gleich großen Rädern und einem Antrieb am Hinterrad nannte man daher auch Sicherheitsfahrräder. Natürlich war das Fahren damit viel leichter als mit einem Hochrad und daher auch von jedermann erlernbar. Damit konnte aus dem Luxus-Sportgerät ein erschwingliches Fahrzeug für die täglichen Wege werden. Das erste individuelle Massenverkehrsmittel war damit geboren.
Wie es weiterging steht im zweiten Teil dieser kleinen Artikelserie zu lesen.
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