Die Rache der Männer aus Milwaukee
Nach dem BMW mit der wunderschönen R 18 im ureigensten Revier der V-Motorenbauer vom Lake Michigan, bei den Cruisern, dreisten Jagdfrevel begangen, kommt mit der Harley-Davidson Pan America nun der Gegenschlag aus der Heimat jener Motorradmarke, die angeblich der liebe Gott am achten Tage erschaffen haben soll: Eine Reise-Enduro. Aus Milwaukee. Soso.
Erinnert uns das nicht an etwas? Unter Autofans geht eine Legende, die den Siebener BMW und den 190er Mercedes betrifft: Es habe, so erzählt man sich, zwischen dem Stern aus Stuttgart und dem weißblauen Propeller aus München dermaleinst eine Art Gentlemen’s Agreement existiert, dahingehend, dass Mercedes BMW keine Konkurrenz unterhalb der damaligen Mittelklasse, also in den Gefilden des 02er bzw. Dreier BMW mache, dafür, dass sie von den Münchnern im Segment ihrer S-Klasse in Ruhe gelassen würden.
Mercedes, so geht die Mär, habe nun frechlich diese Regel gebrochen, indem sie den 190er auf den Markt brachten, der offenbar eine böse Konkurrenz zu den Dreier BMW war. Es ist durchaus denkbar, dass die Autofahrer, die einen 02er BMW, den Vorgänger des Dreiers, gefahren hatten, vom Nachfolger bitter enttäuscht waren. Ich selber hatte einen 1802, der mir noch heute fast feuchte Augen macht, wenn ich daran denke wie sich dieses Auto fuhr. Meine Frau hatte mal einen Dreier, der halt fahrwerksmäßig einfach nicht an den 02er heran kam. Als ich einmal einen 190er Mercedes als Mietwagen hatte, stellte ich fest, dass der vom Feeling beim Fahren her deutlich an den 02er BMW erinnerte.
Damals bei den Autos musste BMW wohl bei den Dreiern Federn lassen, ohne Mercedes in der Oberklasse ernsthaft wehtun zu können. Diesmal, bei den Motorrädern und gegen Harley-Davidson liegt der Vorteil aber eher auf der Seite von BMW. Denen ist nämlich mit ihrer R 18 ein wunderschönes Motorrad gelungen, was aber wohl niemand verwundert: Man erwartet nichts anderes von BMW, als dass von dort schöne und grundsolide Motorräder kommen. Bayerisch halt; Gaudi muss sein, aber es wird auch angepackt und richtig gearbeitet. Auch die R 90 S (in Silberrauch), zum Beispiel, war ja – zumindest für mich – ein Traummotorrad.
Wer Reise-Enduro sagt, muss auch BMW sagen
Harley-Davidson betritt nun mit ihrer Pan America im Grunde absolutes Neuland, sieht man einmal davon ab, dass die Militär-Flatheads der vierziger Jahre natürlich auch im Gelände unterwegs sein mussten. BMW hingegen hatte reichlich Erfahrung mit dem Geländesport, als man begann, das Motorrad mit den zwei Ohren auch als Enduro zu bauen. Und man ging mit bayerischen Qualitäten daran, die, das muss ich (grummel, grummel) zugeben, den schwäbischen nicht allzu viel nachstehen. Der Erfolg: Reise-Enduros sind mittlerweile zum Hausrevier der weiß-blauen Marke geworden.
Dass der Cruiser von BMW glückte, ist nicht so verwunderlich. Motorräder von BMW eigneten sich schon immer auch zum gemütlichen Fahren mit bayerischer Gelassenheit, obwohl man in den Boxern ebenfalls von alters her durchaus gewaltig Feuer machen kann. Man denke mal an die 500er Kompressor-BMW, bei der man schon Ende der Dreißigerjahre bis zu 100 PS aus der halben Maß Hubraum holte.
Dass nun die ersten beiden Versuche mit 1200 und 850 Kubik nicht so ganz glückten, mag unter anderem damit zu tun haben, dass sich die Kunden bei Cruisern wohl damals schon eher etwas mehr Hubraum wünschten. Mit ihren 1800 cm³ Hubraum langt da die R 18 schon anders hin. Und dieses Motorrad ist eben auch wunderschön bis ins letzte kleine Detail.
Harley vs BMW
Bei der neuen Reise-Enduro von Harley-Davidson ist der Milwaukee-Eight 114 verbaut, der in Hubraum und Leistung mit dem Boxer der BMW locker mithält: 95 PS aus 1868 ccm3 und ein Drehmoment von 155 Nm müssen sich vor den 1,8 Litern der BMW R 18 mit 91 PS und 150 NM Drehmoment nicht verstecken. Und schön sind natürlich beide Motoren, vielleicht die schönsten, die es derzeit gibt. In der Reisenduro ist aber der kleinere 1170-ccm-Boxer verbaut, der allerding 125 PS bringt und damit harley übertrifft.
Um das Geschäft von Anfang an anzukurbeln, bietet Harley seine Enduro zu einem Kampfpreis an: Ab 16000 Euro ist man dabei. Allerdings sind 2000 Stutz mehr fällig, wenn auch das elektronische Fahrwerk haben möchte. BMW liegt hier jedoch bereits mit dem Basispreis von 24000 Euro erheblich drüber.
Zu meckern gibt es eigentlich nichts an der Harley, auch wenn es an ein paar Details noch ein wenig hapert. Das sind aber Kleinigkeiten, die im Zuge der Weiterentwicklung ohne weiteres behoben werden können. BMW ist hier klar im Vorteil, weil die R 1250 GS halt schon länger gebaut wird und die Kinderkrankheiten hinter sich hat.
Bereits erfolgreich in den eigenen Revieren
Nun hat Harley-Davidson seine Fans, unter denen viele sind, die auf Cruiser stehen. Dass nun die Softail angenommen wird, soweit der kranke Mann am Lake Michigan eben überhaupt noch verkaufen kann, ist nicht weiter verwunderlich. Auf gut Deutsch: Harley-Davidson ist hier in seinem ureigensten Revier.
BMW ist mit den GS-Modellen schon länger erfolgreich und hat mit der R 18 gezeigt, dass der Boxer auch Cruiser kann: Die Verkaufszahlen dieses Motorrads spielen praktisch in der gleichen Liga wie die der R 1250 GS. Letztere belegte im Januar 2021 den Platz eins bei den Verkaufszahlen und erstere den Platz drei. Man kann da also durchaus von einem Kassenschlager sprechen.
Harley-Davidson hingegen strampelt, so sehen es manche, leider bereits im Todeskampf. The sad truth is: Dort hat man im Grunde bald ein Jahrhundert die gleichen Motorräder gebaut, die derzeit die Marke nicht einer Altersklasse, sondern einer Generation sind. Und wenn diese Generation keine Motorräder mehr kauft, sieht es, so steht zu befürchten, nicht gut aus für Harley-Davidson. Man versucht dort ja auch in verschiedene andere Segmente vorzustoßen, inwieweit das auf die Länge gelingt, bleibt abzuwarten.
Vor diesem Hintergrund könnte man die Pan America auch sehen, also als einen weiteren Versuch, neue Käufergruppen zu erschließen. Ob das nun gelingt, wird sich zeigen müssen. Ob eingefleischte Harley-Fahrer sich von der Gattung Motorrad, die sie ihr Leben lang gewohnt waren, abwenden um eine neue Art von Motorrad aus dem alten Hause zu kaufen, dürfte mehr als fraglich sein. Ähnlich fraglich ist es, ob die Fans von Reise-Enduros die Harley in Betracht ziehen, wo es doch die GS gibt – und wenn es vom Hubraum eher etwas weniger sein soll, auch die Ténéré von Yamaha.
Bei BMW mag sich das ein wenig anders darstellen. Der Cruiser R 18 spricht sicherlich auch lebenslange BMW-Fahrer an, die nun, in die Jahre gekommen und mit entsprechender Daumenbreite, ein Über-Motorrad der vertrauten Marke begrüßen, mit dem man komfortabel in den Lebensabend cruisen kann. Vielleicht war ja die Zeit bei den ersten beiden Cruisern von BMW noch nicht reif, ist es aber jetzt.
Es wäre Harley-Davidson zu wünschen, dass sie es schaffen, mit ihren Maschinen, nicht nur mit der Pan America, endlich auch wieder jünger Biker anzusprechen. Damit diese Legende auch noch unseren Enkeln erhalten bleibt, denn was wäre Amerika ohne Harley-Davidson?
Okay, eins gefällt mir auch noch an der Harley-Davidson Enduro: Sie hat eine Kette anstelle des Riemens, mit dem ich mich ja bekanntlich absolut nicht anfreunden kann…
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