Hobby, Philosophie oder Geisteskrankheit?

Das Wort „Biker“ begegnet einem immer wieder im Gespräch oder in den Medien. Mal hat es eine positive, mal eine negative Konnotation. Was bedeutet dieses Wort aber wörtlich? Wo kommt es her? Und wie wird es von verschiedenen Leuten in verschiedenen Zusammenhängen benutzt?

Die wörtliche Bedeutung

Man meckert gerne darüber, dass heute „alles Englisch sein muss“. Es gibt da die etwas spöttischen Begriffe Neudeutsch und Denglisch. Allerdings hat es auch seinen Grund, dass sich englische Begriffe so gnadenlos in unserer Alltagssprache – und sogar in die Behördensprache – einschleichen: Die englische Sprache hat es so an sich, dass sie gerne verkürzt. Und damit schafft sie sehr oft kurze, prägnante und eingängige Wörter.

Biker in alten Tagen
Biker in den Days of Aulde: Auch dieser junge Mann hat das Motorrad sicherlich nicht nur als Transportmittel gesehen… (Bild: ACP Magazines Ltd./Historisch)

Wo der deutsche Michel „kohlenhydratreduzierte Ernährung“ sagen müsste, heißt es auf Englisch: „Low Carb“. Und wo wir so etwas wie „sportliche Übungen für Herz, Kreislauf und Atmung“ konstruieren müssten, gibt es den englischen Begriff „Cardio“. Und weil solche Wörter halt bequem und effektiv sind, haben sie gute Chancen, sich auch in anderen Sprachen zu etablieren. Zumal Trends, zu denen sie gehören oftmals aus den USA zu uns kommen und dabei die prägnanten Fachwörter gleich mitbringen.

Weil nun ein Fahrrad, oder ein Zweirad allgemein, von der Seite gesehen vor allem aus zwei Kreisen besteht, heißt es auf Englisch „Bicycle“. Und das wird dann einfach zu „Bike“ verkürzt. Mit diesem Wort kann nun sowohl ein Fahrrad als auch ein Motorrad gemeint sein. Dazu kann der gerne mit seiner Sprache bastelnde Angelsachse problemlos das passende Verb bilden: „to bike“ – „Zweirad fahren“. Und damit entstehen quasi automatisch die Begriffe für den Zweiradfahrer, der Biker also, und das Zweiradfahren: Biking.

Biker – Kampfradler oder Motorradnarr?

In seiner Bedeutung „Zweirad“ kann das Wort „Bike“ also sowohl ein nicht motorisiertes als auch ein motorisiertes Zweirad meinen. Das gleiche gilt für „Biker“ und „Biking“. Das motorisierte Zweirad, das Motorrad also, kann man im englischen mit dem Wort „motorcycle“ auch genauer definieren. Oder mit „motor bike“ Gerne wird aber dafür auch schlicht das Wort „Bike“ gebraucht. Der Spitzname von Mike Hailwood, „Mike the Bike“ bedeutete natürlich nicht „Michel das Fahrrad“ sondern „Michel das Motorrad“.

Biker - radler
Auch Radler, speziell sportlich ambitionierte, bezeichnen sich oft als Biker… (Bild: David Mark /Lizenz:Pixabay)

Zumindest im deutschen hat sich das Wort „Biker“ auch für den ambitionierten Fahrradfahrer etabliert. Und „Bike“ für dessen Sportgerät. Unbeschadet dessen werden diese Worte aber auch für „Motorradfahrer“ und „Motorrad“ benutzt. Was nun tatsächlich gemeint ist, geht eigentlich nur aus dem jeweiligen Zusammenhang hervor.

Biker - Mountain Bike
… und tatsächlich kann’s auch auf der Harley-Tretmansohn mit Kniezündung flott zur Sache gehen… (Bild: Jani Brumat deadframe/Lizenz: PD)

Verwirrung kann hier zum Beispiel beim Googeln entstehen. Gerade habe ich spaßeshalber das Wort „Bike“ gegoogelt. Da hatten die Ergebnisse hauptsächlich mit Fahrrädern zu tun. Googeln nach „Biker“ brachte weit überwiegend Dinge für und über Motorradfahrer. Aufpassen muss der Biker (motorisiert) auch wenn er auf Internet-Kontaktbörsen auf die Suche nach einer adäquaten Old Lady geht: „Bike“ oder „Biker“ als Bestandteil des Nicknames muss nicht unbedingt auf eine Motorradfahrerin hinweisen. Dahinter kann sich genauso gut auch eine ambitionierte Radlerin verbergen.

Der Motorradfahrer schlechthin

Ein Jagdfreund von mir bekam mit, dass ich auf einmal ein Motorrad hatte. Und dann erwähnte ich meine damalige neue Old Lady. Seine Bemerkung: „Schon wieder – Lass mich raten, eine Bikerin?“ Damit meinte er aber sicher, ganz allgemein, dass die Dame wohl Motorrad fuhr. Also nicht unbedingt mit Kutte und mit Knödelringen bestückten Fingern.

Biker - Motorrad-Polizei
Motorrad-Polizisten fahren zwar beruflich Motorrad, tun das aber sicher auch nicht ungern… (Bild: Dickelbers/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Tatsächlich werden die Begriffe „Bike“ und „Biker“ auch ganz allgemein für das Motorrad und den, der darauf sitzt, benutzt. Siehe auch der Name dieses Blogs. Auch suchte die Urmutter aller deutschen Motorradzeitschriften auf ihrer Website nach dem deutschen Durchschnitts-Biker. Und damit waren natürlich alle Arten von Motorradfahrern gemeint, nicht nur solche in Kutten. Übrigens kam dabei heraus, dass der Durchschnitts-Biker jener alte Mann auf einem Motorrad ist, den man bekanntlich niemals unterschätzen darf.

Zum Teil mag das auch daran liegen, dass Sohnemanns Bike des Öfteren auf Papi angemeldet ist. Aber auch daran, dass bei Männern meiner Generation der Motorradführerschein fast schon serienmäßig dabei ist. Als Anhängsel des Autoführerscheins, dass man seinerzeit gerne mitnahm, weil es nur ein geringes Mehr an Aufwand und Kosten darstellte. Wohingegen der notwendige Führerschein für heutige Kids einen echter Kostenfaktor auf dem Weg in den Motorradsattel darstellt. Und schließlich sind Bestager und Senioren ja allgemein eine potente Zielgruppe für nicht ganz billige Dinge, die man sich gönnt, um Spaß damit zu haben.

Biker - Oldtimer-Rennen
Ob mit Oldies oder aktuellen Maschinen, zu Rennen, Rallye oder einfach so: Biker treffen sich gerne… (Bild:
Caronna/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 4.0 International)

Wenn nun auch der typische deutsche Biker ein Bestager oder gar Senior ist, bezeichnet der Begriff aber doch auch den Nachwuchs. Also tatsächlich den Motorradfahrer schlechthin. Man könnte vielleicht sagen, dass der Begriff Motorradfahrer den Menschen auf dem Motorrad eher als Variante des motorisierten Verkehrsteilnehmers sieht. Beim Biker schwingt dann auch mit, dass das Motorrad aus Leidenschaft benutzt wird.

Elefantentreffen
… wenn’s sein muss, auch im Winter (Bild: Dulliman/Lizenz: CC Attribution-Share Alike 4.0 International)

Ein weiteres Indiz für seine breite Bedeutung ist, dass man mit dem Wort Biker auch Bezeichnungen für verschiedene Arten von Motorradfahrern bilden kann: den Hardcore Biker, der das ganze Jahr fährt oder den High Risk Biker. Wobei man letzteren durchaus auch als Motorrad-Irren bezeichnen könnte.

Die bösen Biker

Eigentlich meint das Wort Biker also durchaus auch den Motorradfahrer schlechthin. Es ist aber auch die richtigere, weil Eigenbezeichnung für jene Leute, welche von unbedarften Bürgern und Behörden als Rocker bezeichnet werden. Eigentlich sollten sich diese Leute gegen diese Bezeichnung wehren, denn sie klingt diskriminierend, auch wenn sie mittlerweile teilweise sogar als Eigenbezeichnung verwendet wird. Wenn das N-Wort und das Z-Wort diskriminierend sind, ist es das R-Wort auch.

Biker
Kutte, dicke Arme. dicker Bauch, dickes Motorrad… Eine Spielart des Bikers, aber keineswegs die einzige. (Bild: Couleur/Lizenz: Pixabay)

Das aber nur am Rande. Wichtiger ist, dass diese Art von Motorradfahrern keineswegs grundsätzlich kriminell ist. Ja, bestimmte Clubs mischen fleißig in den Geschäften der organisierten Kriminalität mit. Man muss aber nicht notwendigerweise kriminell sein, um dem Motorradfahren in Kutte und Club zu frönen. Nicht jeder MC ist auch ein 1%er MC. Die Erlaubnis der anderen MCs, sich MC nennen zu dürfen, hängt nicht davon ab, dass sich der neue Club außerhalb der Gesetze stellt.

In den USA haben die Strafverfolgungsbehörden für die bösen Buben unter den Bikern den Begriff Outlaw Motorcycle Gang, kurz OMCG geprägt. Das trifft die Sache. Anders unser Amtsschimmel, der von Rockern und rockerähnlichen Gruppierungen wiehert.

Gibt es echte Biker?

Motorradfahren ist doch eigentlich unvernünftig, oder? Warum sitzt man bei Wind und Wetter im Freien, ohne Schutz bei einem Unfall? Schließlich kommt man doch auch mit dem Auto überall hin, wo man mit dem Motorrad hinkommt. Und meist hat man sogar auch ein Auto.

Wer sagt, dass Motorräder nichts für Mädels sind? Schon zu Kaisers Zeiten hatte diese Dame namens Gertrude Eisenmann (1875 – 1933) keine Angst vorm Biken (Bild: Historisch)

Ähnliche Überlegungen kann man zum Beispiel auch im Hinblick auf die Jagd oder das Angeln anstellen. Fleisch und Fisch bekommt man ja auch problemlos im Laden, muss sie nicht mehr selbst erbeuten. Wirklich verstehen kann man eine Leidenschaft nur, wenn man ihr selbst frönt. Was das mit der Jagd auf sich hat, weiß nur ein Jäger. Und was das mit dem Motorrad auf sich hat, weiß ebenfalls nur der, der diesen Maschinen verfallen ist. So jemand wird sich wohl auch in den Büchern des unvergessenen Ernst Leverkus, genannt Klacks, wiedererkennen.

So wie man nach dem echten Jäger, dem echten Angler, dem echten Camper usw. fragen kann, kann man natürlich auch die Frage nach dem echten Biker stellen. Die einfache Antwort: Jeder, der blöd genug ist, sich auf ein Motorrad zu setzen, muss ein echter Biker sein. Vielleicht von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, wo das Motorrad lediglich etwas vortäuschen soll. O. k., in anderen Teilen der Welt gibt es noch Leute, die notgedrungen Motorrad fahren, weil das ein für sie erschwingliches Fortbewegungsmittel ist. Aber hier bei uns gehe ich ganz einfach davon aus, dass jeder, der mir auf zwei Rädern begegnet, auch ein echter Biker bzw. eine echte Bikerin, ein Bruder oder eine Schwester ist, in der weltweiten Gemeinschaft der Motorradfahrer. Jemand, der Motorrad fährt, weil er es nicht lassen kann…