IV) Ein Prinzip – Zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Der Dieselmotor

Dies ist der vierte Teil eines Mehrteilers. Hier geht’s zum ersten, hier zum zweiten und hier zum dritten Teil.

Der Dieselmotor kam nach dem Ottomotor, ist mechanisch fast gleich aufgebaut und kann wie dieser als Zwei- und als Viertakter ausgeführt werden. Wenn man so will, kann man ihn als eine Weiterentwicklung oder vielleicht als Variante des Ottomotors betrachten. Sein spezielles Merkmal ist, dass sich bei ihm das Kraftstoff-Luft-Gemisch selbst entzündet und nicht von außen angezündet wird. Für Motorräder spielt er allerdings nur eine winzig kleine Nebenrolle.

Motorrad mit Dieselmotor? Tja, das gibt es in der Tat – und nicht nur als einzelnes Kuriosum in der Mottenkiste des technikgeschichtlichen Panoptikums. Aktuell gibt es tatsächlich ein paar Unternehmen, die sich mit Diesel-Motorrädern beschäftigen – und sie haben nicht die schlechtesten Argumente dafür. Leider ist der gute, alte Selbstzünder ja wegen Feinstaub und Diesel-Skandal in den letzten Jahren in Verruf gekommen. Und das, obwohl er vor Jahrzehnten als umweltfreundliche Alternative zum Otto propagiert wurde.

Das gibt’s tatsächlich: Ein Motorad mit Dieselmotor. Di M1020M1 der US-Marines (Bild: Rafael Häusler /Lizenz: Gemeinfrei)

Warum ist der Diesel umweltfreundlicher? Natürlich, weil er weniger verbraucht. Was nicht verbrannt wird, macht auch keinen Dreck. Und kein CO2, denn das entsteht unweigerlich, wenn Kohlenstoff(-verbindungen) verbrannt wird/werden. Okay, nicht unbedingt. Aber die andere Möglichkeit gefällt uns noch weniger: Wenn es bei der Verbrennung an Sauerstoff gebricht, entsteht Kohlenmonoxid alias CO. Und das ist im Gegensatz zu CO2 wirklich giftig. Hoch giftig! Tödlich giftig! Dieses Gift war in den Days of Old, der Prä-Erdgas-Ära, neben einem Haufen Wasserstoff und noch etwas stinkigem Zeux im Gas aus der Gasleitung enthalten. Deswegen konnte man sich auch mit Stadtgas umbringen: „Der hat den Gashahn aufgedreht…“ hatte damals eine andere Bedeutung als heute bei uns Bikern (obwohl der Endeffekt leider manchmal derselbe ist). Mit Erdgas kann man sich übrigens nicht vergiften, weil Methan nicht giftig ist. Da stirbt man höchstens, wenn das nächste Mal einer an der Tür klingelt. Bei Stadtgas ist man aufgrund des Kohlenmonoxids schon lange tot, wenn dem nächsten Türklingler die Bude um die Ohren fliegt, weil genug Gas ausgeströmt ist, um mit der Raumluft ein zündfähiges Gemisch zu bilden, das dann von den Funken in der Klingel angezündet wird. Zündfähiges Gemisch? Anzünden?Ah, ja, das war’s ja. Also zurück zum Diesel und seinem zündfähigen Gemisch, das nun aber nicht von einem Funken angezündet wird!

Selbst ist der Zünder

Ein dieseliger Viertaktmotor ist mechanisch genauso aufgebaut wie sein ottelnder Bruder. Nur etwas robuster, denn weil er stärker verdichtet, wirken bei ihm größere Kräfte auf den Klapparatismus aus Kolben, Pleuel und Kurbelwelle.

Und noch mal so was: Die Sommer Diesel (Bild: Sommer Motorradtechnik/Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“)

Der grundlegende Unterschied besteht in der Gemischerzeugung und der Zündung. Der Diesel saugt Luft pur an und verdichtet diese so wie Kamerad Otto sein Gemisch. Am Ende des Verdichtungstaktes ist da immer noch Luft, reine Luft und nichts als Luft. Nur ist die sehr heiß, weil der Diesel eben deutlich stärker verdichtet als der Otto. Und jetzt geht auf einmal alles ganz schnell: Ungefähr dann, wenn beim Ottomotor der Zündfunken kommen würde, wird beim Diesel der Kraftstoff eingespritzt. Der muss sich jetzt fix mit der Luft vermischen und sich selbst entzünden.

Und weiter geht’s dann wieder genau wie beim Ottomotor: Hitze, Druck und Arbeit verrichten am Kolben, damit sich die Kurbelwelle dreht. Und dann der Auspufftakt, damit das Spiel von neuem mit Ansaugen beginnen kann…

Die Einspritzung

Das Prinzip des Dieselmotors ist einfach in der Theorie, in der technischen Praxis jedoch schwierig umzusetzen. Der Ottokraftstoff hat den ganzen, langen Ansaugtakt Zeit, sich mit der Ansaugluft zu vermischen. Der Dieselkraftstoff aber muss zur einem genauen Zeitpunkt im winzigen Bruchteil einer Sekunde eingespritzt werden und sich blitzschnell mit der Verbrennungsluft mischen, damit er sein Zeithandicap ausgleichen und zum gleichen Zeitpunkt wie der Ottokraftstoff in Form seiner heißen Abgase startbereit sein kann, um den Kolben hinunter in Richtung Kurbelhaus zu prügeln.

Ein stationärer Dieselmotor aus alten Tagen (Bild: Johannes Maximilian/Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“)

Das ist nun wieder so eine Sache wie der Gaswechsel beim Zweitaktelwaktel: Hier und da muss ganz schnell genau das passieren, was notwendig ist. Und das erfordert hier genau wie da jede Menge hochkarätiges Hirnschmalz bei den Konstrukteuren. Und heute auch bei den Leuten, welche die Software schreiben, mit der man so etwas genau simulieren kann.

Allein das Einspritzen an sich ist schon so eine Sache. Es geht die Legende, dass Rudolf Diesel vorsätzlich von einem Fährschiff in die eisigen Fluten des Ärmelkanals gesprungen sei, um seinem gramgebeugten Erdenwallen ein Ende zu setzen. Weil ihm einfach keine vernünftige Einspritzpumpe für seinen Diesel einfallen wollte. Oder vielleicht auch, weil er in Geldschwulitäten steckte?

„Oha! Ce!“ ist man geneigt zu rufen: Nicht nur hängende Ventile (OHV), sondern auch eine obenliegende Nockenwelle (OHC) gibt es bei diesem Jockel. Und das 1915, wo man doch bei den Königen des Motorradbaus noch 30 Jahre später der US-Army lieber steinzeitlich stehende Ventile verkaufte, weil man dem OHV aus dem eigenen Hause, dem Knucklehead-Motor nicht über den Weg trauen konnte. (Bild: Johannes Maximilian/Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“)

Das ist nun zwar eine traurig-schaurig-schöne Geschichte, aber vermutlich nicht wahr. Die letzten, die Herrn Diesel mit vollumfänglich aktiven Körperfunktionen sahen, fanden ihn eher weniger gramgebeugt, dafür guten Mutes. Er hatte nämlich offenbar gute Perspektiven für seinen Motor gesehen. Es steht für manche zu vermuten, dass er nicht vorsätzliche gesprungen ist, sondern vorsätzlich gesprungen wurde. Und es habe gar der kaiserliche Willi die Finger im Spiel gehabt oder Merry Old England. Aber auch das ist alles Spekulation…

Fakt ist aber, dass es für den Diesel zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch keine Einspritztechnik gab, die ihn hätte schneller laufen lassen als es einem behäbigen Stationär- oder Schiffsmotor wohl ansteht.

Boschens und die Einspritzpumpe

Die erste richtige Einspritzpumpe für Dieselmotoren, die den modernen, schnelllaufenden Fahrzeug-Dieselmotor ermöglichte, kam von der Firma Bosch. So wie zuvor schon die Hochspannungs-Magnetzündung für den Ottomotor.

Und so sieht ein moderner Common-Rail-Dieselmotor aus. (Bild: Olivier Cleynen/Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)

Eine Bosch-Einspritzpumpe ist ein kleines mechanisches Wunderwerk. Sie spritzt nicht nur genau im richtigen Moment ein, sondern auch die richtige Menge, die man mit dem Fahrfußhebel – so heißt beim Diesel das Gaspedal – regelt. Beim traditionellen Diesel ohne Turbolader wird nämlich die Leistung nur mit der Kraftstoffdosierung geregelt, eine Drosselklappe gibt es nicht.

Mit der Einspritzpumpe ist es aber nicht getan: Beim Diesel kommt es sehr darauf an, was der Kraftstoff im freien Flug durch den Brennraum treibt, wenn er eingespritzt wurde. Hier wurde viel geforscht und getüftelt, um zu erreichen, dass sich der Kraftstoff möglichst schnell mit der Luft mischt, um effizient zu verbrennen.

So sahen die Einspritzpumpen von Bosch – hier eine von 1938 – viele, viele Jahre aus. (Bild: Anonym/Lizenz: Gemeinfrei)

An sich lässt ein kalter Diesel eher ungern zum Arbeiten überreden. Ohne Vorglühen springt er im Sommer notfelss zwar an, man muss aber schon ein Weilchen orgeln. Deswegen gibt es die Glühkerze, mit der man ein wenig vorheizt. Das ist die sprichwörtliche Gedenkminute für Rudolf Diesel, die man viel Jahre praktizieren musste. Moderne Diesel muss man nur noch kurz vorglühen und das geht automatisch, heimlich, still und leise, ohne dass man davon etwa merkt.

Neben die Einspritzpumpe von Bosch, die an einen kleinen Motor erinnert, weil es hier für jeden der großen Zylinder einen kleinen Pumpenzylinder gibt, die in einem Block zusammengefasst sind, traten dann noch andere Lösungen: Unter anderem das Pumpe-Düse-System der legendären amerikanischen „diesels“, der Trucks. Hier sitzt an jeder Einspritzdüse eine eigene Pumpe und bildet mit ihr eine Einheit.

Common Rail und Turbodiesel

Waren die Diesel-PKW früherer Zeiten behäbige Schlepper und gemahnte das Fahren damit an das Chauffieren eines LKWs, stehen sie heute in den Fahrleistungen den Ottos nicht mehr nach. Wer schon mal einen modernen Turbodiesel ein wenig gekitzelt hat, weiß, dass so ein Schlitten abgeht wie Schmidts Katze.

Der Turbolader, eine Art Pumpe, sorgt dafür, dass die Zylinder mehr Luft bekommen, als sie sich allein mit dem Ansaugen holen können. Beim Otto kommt durch dieses Aggregat mehr Gemisch für mehr Leistung in die Töpfe und beim Diesel mehr der guten puren Luft. Und in mehr Luft kann man natürlich auch mehr Kraftstoff spritzen, so dass auch hier die Leistung steigt.

Bei amerikanischen Trucks ist die Pumpe-Düse-Einspritztechnik sehr verbreitet (Bild: Cornerstone / pixelio.de)

Noch mehr Luft – und damit Leistung – gibt es mit der Ladeluftkühlung, dem Intercooler: Die im Turbolader verdichtete Luft wird gekühlt, damit sie sich zusammenzieht und noch mehr davon in die Zylinder passt.

Die gute, alte Einspritzpumpe hat bei modernen Dieselmotoren ausgedient. Statt einem Pumpenkölbchen pro Zylinder gibt es eine Hochdruckpumpe die den Kraftstoff für alle Zylinder gemeinsam in einer Sammelleitung – der Common Rail – unter Druck setzt. An den Einspritzdüsen sitzen elektrisch betätigte Ventile. Mit einem Computer gesteuert, können sie genau im richtigen Moment und genau die richtige Zeit geöffnet werden, wenn es sein muss auch mehr als einmal pro Zündung. Wie bei der digitalelektronischen Benzineinspritzung kann man bei so einem Computer-Diesel die Effizienz der Verbrennung und damit Leistung und Sparsamkeit noch weiter erhöhen.

Auch hier also wieder ein weiter Weg von den unbeholfenen Einblastechniken des Prä-Bosch-Einspritzpumpen-Zeitalters zur aktuellen Einspritztechnik! Aber wie beim Ottomotor ist auch hier das Prinzip das selbe geblieben.

Zweitakt-Diesel

Bei Familie Otto waren es schon immer hauptsächlich die kleinen Mitglieder, die im Zweitakt arbeiten. Anders bei Diesels: Da sind die Zweitakter eher die richtig dicken Onkels: Es gab zwar auch schon Zweitakt-Diesel für Lokomotiven und sogar für LKWs und Traktoren, typischerweise jedoch sind es die Schiffsmaschinen, die zweitaktig vor sich hin dieseln.

Soll ein Diesel im Zweitakt laufen, gibt es ein Problemchen: Der herkömmliche Zweitakter kann ja keinen Öltümpel im Kurbelgehäuse gebrauchen, weil sonst massig Öl über die Überströmkanäle in den Raum über den Kolben gelangen würde, wo es nichts zu suchen hat und vor allem auch bald alle wäre. Da trifft es sich gut, dass man ein bisschen Öl mit dem Kraftstoff zuführen kann, das für die Schmierung der Pleuel- und Kurbelwellenlager ausreicht wie es sich in der Praxis ja schon Jahrzehnte gezeigt hat.

Conventional Truck a la Germany oder Zweitaktender Brummi: Unter der geilen langen Haube des Krupp Titan werkelte einen Zweitakt-Dieselmotor. (Bild: C-C-Baxter/Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)

Bei einem Diesel wird nun aber pure Luft angesaugt. Der jetzt Öl zuzumischen wäre technisch aufwendig und vermutlich auch ungut, denn über dem Kolben eines Dieselmotors hat Öl noch weniger etwas zu suchen als beim Otto. Es würde sich dort wohl zur Unzeit entzünden, was man bei einem Diesel genauso wenig brauchen kann wie bei einem Ottomotor.

Zweitakt-Dieselmotoren verfügen typischerweise über eine Ladepumpe, also einen Kompressor. Der nimmt dem Kurbelgehäuse seien Job als Luftförderer und Vorverdichter ab, so dass dort wie bei einem Viertakter der Öltümpel sein kann. Manche Zweitakt-Diesel bekommen ihre Luft aber auch über ein Ventil im Kopf, aber auch dazu braucht man eine Ladepumpe.

Der Glühkopfmotor: Ein Diesel für Arme?

Ein seltsamer Zwitter zwischen Otto und Diesel ist der Glühkopfmotor. Ob man ihn als Selbst- oder Fremdzünder ansehen soll, ist nicht ganz klar. Er tauchte vor dem Diesel als viertaktiger Hornsby-Akroyd-Motor auf. Gezündet wird bei ihm, indem der Kraftstoff auf die Glühende wand des Zylinderkopfes gespritzt wird. Daher also der Name Glühkopf. Die Gemischbildung ist also eine innere, aber die Zündung? Auf jeden Fall ist der Zündzeitpunkt kaum kalkulierbar.

Der ulkige Glühkopfmotor, heute hauptsächlich bekannt von den unverwüstlichen Lanz Bulldogs: 1 Glühkopf, 2 Verbrennungsraum, 3 Kolben, 4 Kurbelwelle (Bild: historisch)

Nichts desto trotz läuft so ein Ding und Glühkopfmotoren waren zu ihrer Zeit recht verbreitet, weil einfach un preisgünstig. Der prominenteste Vertreter dieser Gattung ist der Glühkopfmotor des Lanz Bulldogs, der heute noch seine Fans hat. Er arbeitet jedoch nach dem Zweitaktprinzip und ist in etwa so aufgebaut wie der abgebildete schwedische Glühkopfmotor. Nur, dass der Motor des Lanz Bulldogs liegt und nicht steht wie der abgebildete.

Damit ein Glühkopfmotor arbeitet, muss der Kopf glühen. Im Betrieb wird er natürlich von der Verbrennungswärme am Glühen gehalten. Wenn man jedoch den kalten Motor anwerfen will, muss der Glühkopf zuerst von außen zum Glühen gebracht werden. Das wird mit einer Art Lötlampe bewerkstelligt und stellt den wichtigsten Teil des Startrituals dar. Da dadurch das Starten recht umständlich wird, stellt man den Motor möglichst selten ab. Daher ging auch die Rede, dass man einen Lanz Bulldog am zweiten Januar morgens um Sieben startet und erst wieder am Heiligabend um Fünf wieder abstellt.

Damit sind wir am Ende dieses Teils angelangt. Beim nächsten Mal soll es dann um Leistung, Drehzal und Drehmoment gehen.