Die stehenden Einzylinder von BMW

Die verschiedenen Modelle 250er BMW stellen gewissermaßen einen Sonderfall in der früheren Geschichte von BMW dar. Sie waren nämlich die einzigen Motoren, die keine Zweizylinder-Boxer waren, sondern stehende Einzylinder. Erst mit dem K-Modellen kamen bei BMW dann wieder andere Motoren als die traditionellen Boxer zum Einsatz.

Als ich ein Teenager war, sah man eine zeitlang wieder recht oft Motorräder aus der Zeit des ersten Motorradbooms in den fünfziger Jahren. Bei uns auf dem Schulhof standen seinerzeit Mopeds und Motorräder, die man heute in Museen sieht und für die man schon seit längerem teuer Geld bezahlt, wenn man sie als Liebhaber besitzen möchte. Damals stellten sie die – abgesehen vom Moped – billigste Möglichkeit der Motorisierung für Leute mit schmalem Geldbeutel dar und man fand sie typischerweise bei Schülern der gymnasialen Oberstufe, von denen damals die wenigsten ein Auto hatten, und auch bei Studenten.

Preisgünstige Motorisierung mit Scheunenfunden

Als Scheunenfunde bekam man sie oft für 20 DM hinterher geworfen. Technik war ja nicht übermäßig viel dran an diesen Maschinen und anders als bei einem Auto rostete auch nichts durch. So waren diese Motorräder recht einfach wieder flott zu machen und auch der nach dem jahrelangen Dornröschenschlaf fällige Baurat, das Vollgutachten, kaum ein Problem.

R23, eines der Modelle der 250er BMW
Die R 23, die „Panhead-BMW“ und Urmutter der langen Reihe von 250er BMWs Quelle: Wikimedia/Yesterdays Antique Motorcycles, Lizenz: CC by SA 4.0

Aber ein spezielles Motorrad hatte wohl immer seinen Preis: die 250er BMW. Jedenfalls weiß ich, dass so um 1976 dafür in den Kleinanzeigen im „MOTORRAD“ vierstellige DM-Beträge verlangt und beim Verkauf wohl auch erzielt wurden. Natürlich sieht man sie auch heute noch auf Oldtimer-Treffen und jeder Freund alter Motorräder kennt sie auf den ersten Blick.

R24, das zweite Modell der 250er BMW
Bei der R24 hatte der Ventildeckel schon das fortan typische Design der Einzylinder- und Boxer-Motoren. Quelle: Wikimedia/Späth, Chr., Gemeinfrei CC 0

Als typisch springt bei diesem Motorrad der Motor ins Auge, der sozusagen einen halben, hochkant aufgestellten Gummikuh-Motor darstellt und wie die Boxer der Bayerischen Motorenwerke das Hinterrad über eine Kardanwelle antreibt. Genau genommen war es im Anfang ja keine Kardanwelle, sondern eine einfache starre Welle die das Schaltgetriebe mit dem Winkelgetriebe am Hinterrad verband. Ein Gelenk war nämlich gar nicht erforderlich, da sowohl die ersten Boxer als auch die ersten Einzylinder keine Hinterradfederung hatten.

R 25, eine weitere 250er BMW
… und das ist die erste Version der R 25. Quelle: Wikimedia/Jörg Hornfischer, Lizenz: CC by SA 3.0

Exkurs: Klacks und die Gummikuh

Der Spitzname „Gummikuh“ stammt übrigens vom unvergessenen und wohl bekanntesten MOTORRAD-Redakteur Ernst Leverkus, auch unter seinem Spitznamen „Klacks“ bekannt. Gummikühe sind streng genommen nur die Boxer-Modelle von 1955-1990, die diese spezielle Hinterradschwinge besaßen, die in Verbindung mit der Kardanwelle bewirkt, dass sich das Motorrad beim Gasgeben hinten hebt. Bei den früheren Motorrädern gab es ja erst gar keine Hinterradfederung und dann eine Geradwegfederung. Bei den späteren ist sie anders konstruiert. Mittlerweile besitzen die Boxer die heute sehr verbreitete Monocoque-Federung mit nur einem Federbein Den Boxermotor gibt es bei BMW seit nunmehr fast 100 Jahren; das erste Modell die R 32 kam 1923 heraus.

So sehr wie die Modelle mit Boxermotor hat sich die BMW mit dem stehenden Einzylinder im Laufe ihrer Geschichte nicht verändert, natürlich auch weil sie bei weitem nicht so lange gebaut wurde. Man muss schon ein wenig genauer hinsehen, um zu erkennen, ob es sich bei der 250 er BMW nun um eine R 23, eine R 24 oder um eine R 25 handelt.

Die Ahnen der 250er BMW

Die Modellreihe hatte Vorgänger, das waren die R 39 von 1924 mit 250 cm³ Hubraum sowie die R 2 ab 1931 und ihre Nachfolgerin, die R 20. Beide hatten nur 200 cm³ Hubraum, da zu dieser Zeit Motorräder bis 200 cm³ führerschein- und steuerfrei waren. Diese Regelung bestand aber nur bis 1938, dann brauchte man auch für die 200er eine Fahrerlaubnis.

R25, 250er BMW mit Geradwegfederung
Hier die zweite Version der R25, die R 25/2… Quelle: Wikimedia/Vinwall11, Lizenz: CC by SA 3.0

Weil nun die R 20 eh‘ führerscheinpflichtig war, konnte man ihr auch ein wenig mehr Hubraum verpassen. Und zwar 250 cm³, denn es wurde jetzt der kleine Motorradführerschein eingeführt, der als „Alter Vierer“ noch in der Bundesrepublik bis 1954 bestand und mit dem man Motorräder bis zu einem Viertelliter Hubraum fahren durfte. Mit dem „Alten Vierer“ durfte man übrigens auch Autos mit bis zu 250 cm³Hubraum fahren; das ist der Hintergrund für die Kleinstwagen und Kabinenroller der Wirtschaftswunderzeit.

Die Urmutter der 250er BMW

Die R 23 war das erste Modell der Reihe mit den 250ern, die ab 1938 gebaut wurde. Sie leistete zehn PS und war 100 km/h schnell. Im wesentlichen war dieses Motorrad eine aufgebohrte Version der R 20 und gleichzeitig das erste Modell in der Reihe der 250er BMWs mit Wellenantrieb, die es bis 1966 gab.

BMW R25/3,
… und das ist die dritte, die R 25/3 Quelle: Wikimedia/Morg956, Lizenz: CC 1.0, Gemeinfrei Lizenz: CC 1.0, Gemeinfrei

Nach dem Krieg nahm BMW unter großen Schwierigkeiten die Produktion der 250er Einzylinder wieder auf. 1948 wurde die Weiterentwicklung der R 23, die R 24 vorgestellt; 1949 gab es sie dann auch zu kaufen.

Der Motor leistete nun 12 PS, aber eine Hinterradfederung gab es immer noch nicht. Wohl aber eine Teleskopgabel, die auch schon bei der R 23 vorhanden war. Will man nun eine R 23 von einer R 24 unterscheiden, schaut man am besten auf den Zylinderkopf, genauer gesagt auf die Ventilabdeckung: Bei der R 24 sieht diese schon so aus wie bei der R 25 und den Boxern bis gegen Ende der Neunziger, bei der R 23 sieht er den Ventilabdeckungen der Panhead-Motoren von Harley-Davidson ähnlich.

Die 250er BMW bekommt eine Federung fürs Hinterrad…

Die R 25 kam 1950 auf den Markt. Sie ist leicht zu erkennen, denn erst bei ihr gab es die Geradwegfederung am Hinterrad. Die Leistung wurde nicht erhöht, aber jetzt war eine „richtige“ Kardanwelle erforderlich, da das Hinterrad jetzt seine Position zum Getriebeausgang veränderte.

R26, ein ganz neues Fahrwerk für die 250er BMW
Die R 26 hatte ein ganz neues Fahrwerk… Quelle Wikimedia/Lothar Spurzem, Lizenz: CC by SA 2.0

… und dann Vollnabenbremsen

Es gab zunächst etwas Modellpflege, es erschienen 1951 die R 25/2 und 1953 die R 25/3. Bei der /2 gab es immer noch einen altertümlichen Fischschwanz-Auspuff, aber an diversen Teilen Chrom anstatt schwarzer Farbe. Bei der Strich 3 gab es nun noch ein Quäntchen mehr Leistung, der Fischschwanz verschwand und sie leistete 13 PS. Außerdem war dieses Modell mit Vollnabenbremsen ausgestattet.

Ein ganz neues Fahrwerk für die 250er BMW

Bei der R 26, die 1956 auftauchte änderte sich einiges: Schon auf den ersten Blick erkennt man die Hinterradschwinge, die statt der alten Geradwegfederung kam und auch am Vorderrad gab es eine Schwinge. Mit der Leistung blieb es bei 15 PS, aber es gab jetzt einen Luftfilterkasten unter dem Sattel.

BMW R27
Die letzte in der Reihe der „halben Gummikühe“ war dann die R 27 Quelle: Wikimedia/Jeff Dean, Lizenz: Freie Nutzung bei Namensnennung

Höhepunkt und Ende

1960 kam dann die R 27. Hier muss man etwas genauer hinsehen, wenn man die Unterschiede zur Vorgängerin erkennen will: Dass der Motor jetzt 18 PS leistet, sieht man ihm ja nicht an, wohl aber dass er jetzt in Gummipuffern aufgehängt ist. Als Fahrzeug für Schüler und Studenten mit schmalem Geldbeutel in den 1970er Jahren war die R 27 wohl nicht so gut geeignet, obwohl sich der Gebrauchtpreis in der Größenordnung einer neuen japanischen 125er bewegt haben dürfte: Ab irgendwann in den 70ern ging es bei den Versicherungsklassen nach PS statt nach Hubraum. Die zeitgenössischen 250er fielen meist in die neue Klasse bis 27 PS, die 125er aus dieser Zeit leisteten typischerweise 17 PS und fielen daher in die Klasse bis 17 PS. Für diese Klasse hatte die R27 halt ein PS zu viel. Ob es eine Sonderregelung gab, weiß ich nicht. Die R 26 fiel jedoch in diese Klasse.

In der Form der R 27 wurde die 250er BMW bis 1966 gebaut und um diese Zeit endet im Grunde auch die Geschichte des deutschen Motorradbaus. Als einziger deutscher Motorradhersteller überlebte BMW die „Eiszeit“ des Motorrads, die Zeit in der das Motorrad als Transportmittel ausgedient hatte, weil sich immer mehr Leute ein Auto leisten konnten, und es noch nicht als Sportgerät wiederentdeckt worden war und die Zeit danach, als die Japanerinnen Maico, Hercules und Zündapp samt ihren Mopeds, Mokicks und Kleinkrafträdern bzw. 80ern verdrängten. Der stehende Einzylinder von BMW schlug übrigens auch als Herz der BMW Isetta und wurde in Stromaggregaten für die Bundeswehr verbaut.