Damit die Schraube wieder in die Gänge kommt
Gewinde sind eine feine Sache. Aus dem modernen Maschinenbau sind sie nicht mehr wegzudenken. Sie können jedoch bei der Herstellung und der Benutzung für Kummer sorgen. Gerade bei Teilen aus Leichtmetall gehen sie gerne kaputt. Allerdings kann man Gewinde reparieren und zwar mit System oder notfalls auch mit Werkstattmitteln.
Das Highlight unter den Quellen qualitativ hochwertigen Ärgers ist ein in einem Sackloch abgebrochener Gewindebohrer. Eine in einer Gewindebohrung – möglichst auch noch bündig – abgerissene Schraube sorgt ebenfalls für kurzweilige Beschäftigung. Ein „ewiges“ oder sonst wie beschädigtes Gewinde in einem nur aufwendig und kostspielig zu ersetzenden Teil sorgt auch für zusätzliche Arbeit. Aber wenigstens kann man hier in der Regel die Schraube noch herausdrehen und das Gewinde reparieren.
Heutzutage sind die Motorblöcke von Motorrädern schon lange nicht mehr aus dem altväterlichen Grauguss, sondern aus einer Aluminiumsgusslegierung. Mit Aluminiumwerkstoffen ist das so eine Sache. Ich mag sie nicht besonders, wenn ich ehrlich bin. Eisenwerkstoffe sind mir lieber. Aluminium hat aber den Vorteil, wesentlich leichter als Eisen zu sein. Außerdem ist es zwar sehr unedel und korrodiert an der Luft in Windeseile. Die Oxidschicht, die sich bildet ist jedoch luftundurchlässig. Hat sie sich einmal gebildet, kann kein Sauerstoff mehr an das Material darunter. Deswegen oxidiert es auch nicht weiter, anders als Stahl, der durchrostet, weil die Rostschicht luftdurchlässig ist.
Bei Schrauben in Gewindebohrungen in Aluminiumteilen heißt es daher meist nicht „nach fest kommt ab“ sondern „nach fest kommt lose“: Es entsteht ein sogenanntes ewiges Gewinde: Die Schraube dreht sich und dreht sich, wird aber nicht fest. Das kann schon auch einmal in Stahl passieren, wobei es hier jedoch seltener vorkommt. Bei Aluminium ist es aber schnell passiert und dann heißt es: Gewinde reparieren!
Wie kann man Gewinde reparieren?
Der versiert schraubende Biker – dessen Arbeit ja bekanntlich nie getan ist – hat hier nun mehrere Möglichkeiten. Die beiden ersten – Ausbüchsen mit einer selbstgemachten Buchse bzw. einem Coil – setzen voraus, dass um die Bohrung mit dem beschädigten Gewinde herum genug Fleisch vorhanden ist. Bei beiden muss man nämlich die Bohrung um mindestens 1 mm im Durchmesser vergrößern. Sitzt die Bohrung zu nahe an einer Kante, gibt es noch eine dritte Möglichkeit. Man schweißt die alte Bohrung zu und setzt eine ganz neue Gewindebohrung genau an die alte Stelle. Vor allem, wenn man das betreffende Teil nicht ausbauen will, ist das aber eine knifflige Sache.
Ist jedoch genug Fleisch um die Bohrung herum vorhanden, kann man sie ausbüchsen. Dazu bohrt man die Gewindebohrung auf den Kerndurchmesser der nächsten Größe auf und schneidet ein neues Gewinde in dieser Größe. Da kommt dann eine selbstgemachte Buchse mit Innen- und Außengewinde hinein. Das hat aber seine Tücken, vor allem bei kleinen Gewindegrößen. Der Kerndurchmesser der jeweils nächsten Gewindegröße ist nämlich nicht viel größer als der Nenndurchmesser der vorigen. Dadurch ist zwischen Innengewinde und Außengewinde immer da, wo sich die Gänge kreuzen, sehr wenig Fleisch da. Oft reißen die Buchsen daher oft schon bei der Herstellung ab.
Am Beispiel des am Motorblock meiner Elfie kaputt gegangenen Gewindes M6 sieht das in konkreten Zahlen folgendermaßen aus: Der Kerndurchmesser des M8er Außengewindes beträgt 6,47 mm. Das bedeutet, dass an den Stellen, an denen sich die Gewindegründe des Innen- und des Außengewindes kreuzen, nur wenig mehr als zwei Zehntel Fleisch sitzt. Wenn eine solche Buchse unfallfrei hergestellt wurde und einmal drin sitzt in der Bohrung, ist alles o. k. Aber man muss sie eben machen, ohne dass sie dabei abreißt.
Geheimwaffe Feingewinde
Das Ausbüchsen mit selbst gemachten Gewindebuchsen funktioniert also eher, wenn man das Außengewinde mindestens 2 mm größer als das Innengewinde machen kann. Das wird aber bei Bohrungen, die nahe bei einer Kante sitzen, eine gefährliche Sache. Doch es gibt eine Lösung: Und die heißt „Feingewinde“. Ein Feingewinde hat eine kleinere Steigung als das jeweilige Regelgewinde. So mancher Metaller kennt die Regel, dass man den Durchmesser der Kernlochbohrung für ein Innengewinde erhält, wenn man vom Nenndurchmesser die Steigung abzieht. Das fertige Kernloch ist dann etwas kleiner, da der Gewindebohrer nicht nur schneidet, sondern ungewollt auch etwas umformt. Er verdrängt Werkstoff nach innen ins Kernloch und macht dieses dadurch etwas enger.
Das jedoch nur am Rande. Auf was ich hinaus will, ist, dass bei einem gegebenen Gewindenenndurchmesser der Kerndurchmesser umso kleiner ist, je kleiner die Steigung ist. Nimmt man also zum Ausbüchsen eines M6er Regelgewindes ein Feingewinde M8x1, bleibt mehr Fleisch zwischen Innen- und Außengewinde.
Gewinde reparieren mit Sytem: Gewinde-Coils
Trotzdem bleibt aber die Lösung mit der selbst gemachten Buchse eine eher knifflige Angelegenheit. Man muss sich das aber auch gar nicht antun. Es gibt nämlich zum Ausbüchsen vorgefertigte Buchsen, sogenannte Coils. Coil bedeutet Spule und tatsächlich sind diese famosen Dinger aufgewickelte Drähte aus gehärtetem Stahl, deren Querschnitt sozusagen zwei aneinander gesetzten Gewindeprofilen entspricht. Daher hat das Außengewinde auch die gleiche Steigerung wie das Innengewinde, ist also ein Feingewinde. Im Falle der Coils für die Reparatur eines metrischen ISO-Regelgewindes M6, dass eine Steigung von 1 mm hat, ein metrisches ISO-Feingewinde M8x1. Das Regelgewinde M8 hat eine Steigung von 1,25 mm.
Bekannt sind diese Dinger landläufig unter dem Namen Helicoil. Es gibt sie aber auch von anderen Herstellern. Ob nun Helicoil, V-Coil oder BaerCoil, das Prinzip und die Vorgehensweise beim Gewinde reparieren mit Coils ist immer die gleiche. Es gibt diese Coils auch in Sätzen zusammen mit den nötigen Werkzeugen zu ihrer Anwendung. Als da sind: ein Bohrer mit dem Durchmesser, auf denen man die beschädigte Gewindebohrung Aufbohren muss, ein Gewindebohrer, ein Werkzeug um das Coil einzuschrauben und ein Zapfenbrecher. Als Antrieb haben diese Werkzeuge den gleichen Sechskant wie Schrauberbits für den Akkuschrauber.
Vorgehensweise beim Gewinde reparieren
Zunächst bohrt man die kaputte Gewindebohrung auf. Meist muss man das mit der Handbohrmaschine oder einem Akkuschrauber erledigen. Dazu gehört etwas Gefühl, denn die neue Bohrung muss ja koaxial zur alten sitzen. Da aber nur wenig Material abgenommen wird, führt die alte Bohrung dabei recht gut.
Als nächstes schneidet man das Gewinde. Auch hier muss man drauf achten, dass man das Gewinde sauber koaxial zur Bohrung schneidet. Ich nehme dafür einen Handantrieb, den ich mir aus einer 6,5 er Nuss und einem Knebel zusammen stecke. Die Bohrmaschine ist zu gefährlich. Allenfalls kann man einen Akkuschrauber mit richtig eingestellter Rutschkupplung verwenden.
Nun kann man den Coil einziehen. Das Werkzeug dazu sieht aus wie eine Schraube, hat aber vorne einen Mitnehmer für den Zapfen am Coil. Man dreht den Coil auf das Gewinde des Einziehwerkzeugs und schraubt ihn ein. Wichtig ist, dass er mindestens bündig mit der Oberfläche des Teils ist; besser noch schraubt man ihn ein klein wenig tiefer ein. Wenn er nämlich übersteht, kann der Gehäusedeckel oder was immer mit der Verschraubung festgehalten wird, nicht plan aufliegen.
Der Zapfen zum Einschrauben wäre nun im Wege, wenn man eine Schraube tiefer einschrauben will, als der Länge des Coils entspricht. Daher muss er verschwinden. In weiser Voraussicht ist er deswegen sogar mit einer Sollbruchstelle versehen, an der er beim nun folgenden Zapfenbrechen nachgibt. Der Zapfenbrecher ist im Prinzip ein kleiner Durchschlag mit passendem Durchmesser. Man steckt ihn in das neue Gewinde bis er am Zapfen anstößt. Dann bekommt er ein klitzekleines Schläglein mit einem Hämmerlein, damit er an seiner Sollbruchstelle abbricht. Fertig ist das neue Gewinde!
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